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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Montag, 19. Februar 2018

Elbphil(viel)harmonie


Ab heute bin ich Mozart-Fan! … und das mir, der eigentlich lieber den Rolling Stones, Creedence Clearwater Revival oder Rod Stewart lauscht – oder wenn schon Klassik, dann lieber Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73 !!!

Aber das Philharmonische Staatsorchester Hamburg, unter der Leitung von Adam Fischer, hat mit Mozarts drei Symphonien Nr. 39, 40 und 41 so einiges durcheinander gewirbelt. Die Streicher, überwiegend Violinen, ein paar Bratschen, Celli und Kontrabässe, hauen mich um - … in ihrer Vehemenz, Kraft und Energie, der Geschwindigkeit, Dynamik und Lautstärke – urplötzlich gefolgt von unglaublicher, leiser Zärtlichkeit, langsam, dann wieder schnell. Ständig variiert die Lautstärke, der Klang schwillt an, wird leiser, bricht abrupt ab, setzt wieder ein – brilliant!

Die wenigen Bläser im Hintergrund müssen Mozart ebenso geliebt haben! Mit kleinen virtuosen Zwischenspielen, winzigen Soloparts, machen sie sich klar und deutlich bemerkbar. Zwei Hörner und Fagotte untermalen die Streicher, Querflöte und Oboe konterkarieren die sich ständig wiederholenden Themen, antworten und variieren. Unglaublich.


Ich hab ja keine Ahnung, ...
aber mir ist bekannt, dass man zwischen den Sätzen einer Symphonie nicht klatscht. Dirigenten und Musikern dienen diese Sekunden der Konzentration und geneigte Zuhörer wollen die letzten Klänge nachwirken lassen und erwartungsvoll der Ruhe lauschen, gespannt sein – und neugierig, wie wohl es weitergehen wird.
Wie schon so oft, können einige im Publikum ihre Begeisterung nicht zurückhalten, andere lassen sich mitreissen, viele sind genervt – und zu letzteren gehört heute Adam Fischer, Dirigent.
Er macht's geschickt! Beim ersten Mal schaut er nur verzweifelt und schüttelt langsam den Kopf, nach dem zweiten Satz ist seine Miene schon gequältstirnrunzelnd und achselzuckend blickt er zu seinem Konzertmeister – er schlägt die Hände vors Gesicht und grinst dann bittend ins Publikum – und schafft das Unmögliche – auch der Letzte hat's kapiert – zwischen den Sätzen ist Ruhe.

Nach jeder Symphonie tosender Beifall und Bravorufe – den anderen hat es auch gefallen.
So wie Adam Fischer hat für mich noch keiner dirigiert. Ohne Pult und Partitur gibt er vereinzelt Einsätze, schiebt mal hier und dort Arm, Schulter, den ganzen Oberkörper nach vorn, reisst die Arme hoch, lässt sie wieder fallen, geht in die Knie und beginnt mit am ganzen Körper zu zittern, wenn seine Streicher Dynamik aufbauen sollen.
Grossartige Gestik – nichts wirkt übersteigert, eher bescheiden begeistert dieser Mann.


Im Programmheft finden wir noch den Hinweis, dass alle Musiker Krawatten von FELIX W., Hamburg, tragen, noch dazu alle die gleiche! Diese Werbung kann nicht beeindrucken, die Dinger sind spiessig-langweilig und scheusslich anzusehen.



und zum Schuss noch dies: Während Adam Fischer bereits mit künstlerisch zersaustem Haar und offenem Jacket die Bühne betritt – und das wird im Laufe des Konzerts nicht besser – trägt die erste Geige sein volles Haupthaar gestylt und zu besagter hässlicher Krawatte ein äusserst enges, figurbetontes Sacco der moderneren Art. Eins von denen, das dem Betrachter vermittelt: er ist aus seinem Kofirmandenanzug herausgewachsen!
Namibia


Vor 13 Jahren haben wir den Lonely Planet für Namibia gekauft! Damals, kurz nach dem Besuch Südafrikas und vor allem des Krüger National Parks, waren wir so begeistert von den Pirschfahrten und wollten sofort wieder in den Süden Afrikas.
Irgendwie hat das nicht geklappt, und als wir 2016 endlich wollten, war unsere Tour ausgebucht.


Die Rundreise war ohnehin ein Fehler! Wir wollten sie unbedingt, um die ca. 4.000 km, die es braucht, das ganze Land zu sehen, nicht selbst fahren zu müssen. Da diese Touren nur zwei Tage Pirschfahrten in Etosha beinhalten, haben wir noch zwei Wochen drangehängt und sind 2.300 km selbst gefahren. Da hätten wir uns die langen Busfahrten, bis zu 8 Stunden am Tag, sparen und gemütlich vier Wochen entspannt reisen können.


Nein, so ganz schlecht war die Rundreise nicht, nur einige in der Gruppe waren nervig, denen musste man aus dem Weg gehen. Die Unterkünfte waren mehrheitlich gut und wir haben alles gesehen, was es da so gibt in Namibia. Unser Reiseleiter war wenig informativ und machte sich gern rar, er war wohl des Reiseführens leid und brauchte eine Auszeit, nachvollziehbar, aber inakzeptabel.


Namibia, da MUSS man hin – aber bitte selbst fahren und unbedingt im 4WDrive.
Nur 25 % der Strassen sind asphaltiert, einige Routen in Etosha sind soooo schlecht, dass wir unsere Geschwindigkeit, aus Mitleid mit unserem Auto, auf 25 kmh reduzieren. Im SUV sitzt man höher und sieht so die, bis zu 20 Std. pro Tag faul im hohen Gras liegenden Löwen, sehr viel besser!


Windhoek finden wir nicht so prickelnd und Diamantenschleiferei begeistert uns auch nicht. Die paar alten Kolonialbauten sind nur bedingt sehenswert, also nichts wie weg!


Die Etosha-Pfanne liegt im Norden des Landes und ist voller Löwen. Wir fahren von Camp zu Camp, übernachten dort und buchen immer den Early-Morning-Drive: 5:30, da sieht man am meisten – aber nicht immer, und es ist saukalt auf diesen offenen Jeeps bis die Sonne gegen 8:00 höher am Himmel steht und die Luft sich langsam erwärmt. Drei Stunden sind lang und Frühstück gibt’s erst nachher.


Die Guides kennen sich aus. Wir hören den Löwen schon im Camp brüllen, denken, er ist vielleicht direkt nebenan, aber es dauert, bis wir ihn kilometerweit später entdecken. Er brüllt einer Löwendame zu, sie treffen und umkeisen sich in der Savanne und zotteln dann gemächlich zum nächsten grösseren Strauch, um im Schatten auszuruhen und … wer weiss? Die Brennweite des Fernglases reicht nicht.


Ein anderes Mal bremst der Jeep abrupt. Drei Meter neben uns liegen zwei männliche Löwen im Schatten. Die hätten wir nicht gesehen! Der Guide setzt zurück und wir blicken ihnen direkt ins Auge. Der Jüngere springt auf und starrt uns verwirrt an, der Alte blinzelt gelangweilt, hebt nur langsam den Kopf und bleibt liegen.


Auch tagsüber sehen wir Löwen, alle denkbaren Antilopen und Zebras in riesigen Herden, Hyänen, Schakale, Warzenschweine, Strausse, Giraffen, Elefanten und auch ein paar Spitzmaulnashörner, Geier, etc. 


Gepard und Leopard machen sich rar, wie vor 13 Jahren. Man sieht sie auf Fotos in den Camps.


Wir lieben Oryxe, die stattlichen Kuhantilopen. Sie sind wunderschön gezeichnet, haben meterlange gerade Hörner und sind ganz nebenbei die Wappentiere des Landes.


Keine Angst vor wilden Tieren! ... auch nicht im offenen Jeep.
Im unwahrscheinlichen Fall (!?!) einer Reifenpanne ruft man an – im nächsten Camp. Schon nach wenigen Kilometern haben wir kein Netz mehr! Aussteigen streng verboten, aus-dem-Fenster-lehnen ebenfalls.


An übersichtlichen, flachen Stellen darf dann einer draussen den Reifen wechseln, der andere hält Ausschau ... – aufpassen, dass sich das löwenhohe, löwenfarbige Gras nicht bewegt.


Ach was! ... no problem – Löwen mögen am liebsten Zebras, die haben leckeres fettes Fleisch, und schon eins dieser wunderschönen Streifentiere reicht für ein kleineres Rudel. Springböcke, die Wappentiere Südafrikas, wären zu klein, an denen ist nicht genug dran, und ausserdem haben Löwen wenig Chancen, sie zu fangen. 


Springböcke springen meterhoch und noch viel weiter und sind sehr schnell! Deshalb grasen sie gelangweilt in sicherem Abstand und springen nur mal kurz, wenn der Löwe sich bewegt.


Leoparden lieben Impalas und für Geparden sind wir zu gross – oder?! Letztere können Springböcken schon eher gefährlich werden.


Wir beobachten immer wieder staunend, wie gelassen sich Beutetiere angesichts der drohenden Gefahr verhalten. Eine Herde Zebras, vielleicht vierzig von ihnen, blicken mehr oder weniger gespannt auf fünf sich nähernde Löwen und halten ca. 50 m Abstand. Kommen die Löwen näher, gallopieren sie ein paar Meter weiter und bleiben wieder stehen. Wenn die Löwen stehen bleiben, um die Lage zu sondieren, beginnen die Zebras wieder zu grasen, nur ein oder zwei beobachten die Situation. Es ist Vormittag, die Sonne gewinnt an Höhe, es wird immer heisser. Zebras wissen, dass die Löwen sich bald zur Ruhe legen werden – nur Geduld! … und in der Herde ist man sicher – mehr als einen wird es schon nicht erwischen.


Plötzlich laufen zwei der Löwen an, blitzschnell nähern sie sich der Lieblingsspeise. Die Herde stiebt in zwei Teilen nach rechts und links auseinander und gallopiert, was das Zeug hält. Ein kleines Zebra überlegt sich in letzter Sekunde die Gruppe noch zu wechseln. Es klappt, sie kommen davon, die Löwen geben auf. Das Kleine wäre beinah leichte Beute geworden.


Als Deutsche kann man sich zu Hause fühlen in Namibia – alle sprechen Deutsch! Im Hotel kommt uns Englisch erst gar nicht in den Sinn, wenn wir mit 'Guten Tag!' begrüsst werden. Restaurants, auch in den entlegendsten Dörfern, haben Schnitzel und Schweinshaxe auf der Speisekarte und in Cafés mitten in der Wüste schlemmen wir Apfelstreuselkuchen mit Sahne.


Zentrum des Deutschtums ist Swakopmund, dort gibt es ein Brauhaus mit mehreren deutschen Bieren vom Fass, rheinischem Sauerbraten und Bratwurst mit Sauerkraut. In einer 'Bäckerei' stehen lauter schwarze, einheimische Damen hinter der Theke und vermelden in bestem Deutsch: „Der Bienenstich ist heute ganz frisch!“


Der junge, deutsch-namibische Apotheker ist in Swakopmund geboren, seine Mutter ist aus Köln und der Vater schon in dritter Generation in Namibia – der Herr, der mich im Trekkingfachgeschäft bedient, schon in vierter.


Weshalb man uns Deutsche so liebt? Wegen des Geldes, dass die zweitgrösste Touristengruppe nach den Südafrikanern ins Land spült? Vielleicht!
An der unrühmlichen deutschen Vergangenheit auf südwestafrikanischem Boden kann es nicht liegen. Im Buchladen stapeln sich Bücher über diese Epoche, die meisten sind nicht nur unkritisch, sie glorifizieren sogar. Beim Lesen der Geschichte treibt es einem wieder einmal Schamröte ins Gesicht und Tränen in die Augen.


Es kann nur sein, dass die nachfolgende südafrikanische Mandatszeit der Bevölkerung keine besseren Erinnerungen bietet. … und Zeitzeugen aus dem frühen 20. Jahrhundert gibt es nicht mehr.


Zurück in Windhoek warten wir auf den abendlichen Rückflug in unserem angenehmen Hotel. Es ist knüppeldicke voll und laut bis spät in die Nacht. Die SWAPO hält ihren jährlichen Kongress just an diesen zwei Tagen in diesem Hotel ab!
Die Regierungspartei hält sich seit den frühen 90ern an der Macht, stellte bisher immer den Präsidenten und ist in jedem kleinen Kaff mit einem Büro präsent.
Die Delegierten strömen aus allen Ecken des Landes herbei, sind mehrheitlich fröhlich, essen sich satt an den überlaufenden Buffets morgens, mittags und abends, freuen sich, die Kollegen zu treffen und feiern eben.


An der Rezeption raunt man uns zu, dass wir unser Zimmer auf dem selben Flur haben, auf dem auch die Präsidentensuite liegt – auch er reist am Abend zuvor an. Er wohnt in seinem Palast zwar nur einmal um die Ecke, aber, am nächsten Morgen sind die Strassen gesperrt, für die Limousinen der Regierungsmitglieder, da kommt keiner mehr durch.


Beim Frühstück können wir beobachten, wie untere Parteichargen von oberen gebrieft werden, wie man sich bei den wichtigen Abstimmungen zu verhalten habe – einer redet, die anderen hören zu. Ein äusserlich sehr wichtig aussehender Herr kommt direkt an unserem Tisch vorbei und grüsst höflich. Ich frage ihn: „Are you somebody important?“ „No,“ he says, „I'm only trying to organise the next elections.“ … und: „Are you from Germany?“ Und dann erzählt er uns in fast akzentfreiem Deutsch, er habe in München studiert.


Leider hören wir von so vielen Namibiern, dass diese, in den 80igern mit gestreckter linker Faust angetretenen, erfolgreichen Freiheitskämpfer vielfach tief im Morast der Korruption ihr Geschäft betreiben.


Wir waren sehr gern da, haben uns dauerhaft wohl und sicher gefühlt, wurden sooo freundlich empfangen und behandelt, und es war alles so deutsch-sauber, wir haben lecker gegessen und getrunken, die Landschaften genossen und uns an den wilden Tieren erfreut.


Den Rest entnehmen Sie bitten den gängigen Reiseführern! Danke.
Tschechien – nur des Bieres wegen?



Budweiser oder Pilsner Urquell? Früher war das für mich keine Frage – Budweiser, das Original aus Tschechien, nicht die scheussliche US-amerikanische Abart, war mein Liebstes! Das gab es z. B. im Cotton Club in Hamburg, ein Grund mehr, hin und wieder dort zu sein. Heute gibt’s da nur noch 'Cotton-Club-Pils' keine Ahnung, was das für ein Gebräu ist – egal, ohnehin schmeckt mir Bier heute, nach jahrelangem Weingenuss, nur noch so 'lala'.
Und so war es auch in Tschechien!


Wenn man im Adler in Königschaffhausen, während des xten Besuchs in genau 20 Jahren hervorragend gegessen und getrunken hatte und, nach einem Kollegiumsfest in Wohlen und Treffen mit Freunden in Oberwil-Lieli und Zürich, mal wieder bei den Schwiegereltern in Garmisch war, sich dann mit Tochter und Enkelin aus Wien am Wolfgangsee vergnügte 


und ein paar Tage in der genannten österreichschen Hauptstadt im Garten des Schlosses Schönbrunn und über den Naschmarkt lustwandelte, liegt es nah, die Rückreise durch das Waldviertel und Tschechien anzutreten.



Waldviertel, keines der bekannten Reiseziele im touristischen Nachbarland, aber allemal eine Durchreise wert. Beschaulich, gemütlich, landschaftlich hübsch, mit pittoresken kleinen Städtchen wie Zwettl und Weitra – nett eben! … und schon so ähnlich wie Böhmen.


Budejovice und Pilzen – Grossstädte mit altem Stadtkern. Letztere sind durchaus sehenswert, aber im August auch hoffnungslos überlaufen – überall gibt es Bier und die berühmte traditionelle Küche, mit der wir mehrmals schlechte Erfahrungen machen. Man sehnt sich nach einem guten Italiener!



In Pilzen übernachten wir im altehrwürdigen, damals prachtvollen Hotel Slovan – aus dem 19. Jhrt. Die Fassade und das Treppenhaus sind imposant, das Zimmer verströmt den Charme des frühen Sozialismus. Nur mit Mühe kann man die Tür zum Balkon öffnen, aber der ist nur unter Gefahr zu betreten, hier bröckelt der Putz.
Die Übernachtung war allerdings auch sehr günstig!


Wir geben nicht auf und besuchen Marianske Lazne und Karlovy Vary – Marien- und Karls(warm)bad.

Marienbad ist eine wunderschöner Kurort mit kunstvoll (zumindest äusserlich) renovierten, alten Hotelbauten und Kureinrichtungen. In einem dieser Viersternebunker haben wir für zwei Tage ein Schnäppchendoppelzimmer gebucht. 



Wir bekommen ein Upgrade und ziehen in eine Zweizimmerwohnung mit geschätzten 100 m². Unser Schlafzimmer hat mindestens 30 m², das Bad 15. Im Salon, 25 m², mit durchgehendem Balkon, Erker und Blick auf den Kurpark, steht der zweite grosse Fernseher. Das separate WC hat einen Vorraum mit Waschbecken und das Entré misst 8x2 m – wahrhaftig kaiserlich!
Die Plastikstühle aus dem Baumarkt für den Balkon, wie auch die Polster offenbaren die finanziellen Enpässe der Renovierungsbemühungen.



Immer wieder lustwandeln wir durch den Park und die eindrucksvolle Kolonada, geniessen (?) stirnrunzelnd die obligatorischen Oblaten und sind doch nach zwei Tagen froh, dem Gesamtwerk-Altersheim den Rücken zu kehren.


Karlsbad ist da sehr viel schöner und mehrere Klassen luxuriöser! Man muss auch nicht so viel Bier geniessen, weil es dort die heissen Trinkquellen gibt, die unter den Kolonaden alle paar Meter aus der Mauer sprudeln.




Bewaffnet mit dem wunderschönen und praktischen Trinkbecher kann man ungezügelt dem zweifelhaften Genuss des Heilwassers frönen. Es ist nicht einfach zu ergründen, was da geheilt wird während des Wasserdurchflusses – es geschieht sozusagen unbemerkt.

Übers Erzgebirge geht's gen Norden.
Jetzt haben wir Tschechien gesehen – 'interesting', sagt der Engländer – da erinnern wir uns doch gern an das prächtige Prag! Und tschechisch gut gegessen haben wir in diesem Jahr ja schon in der Kneipe an dem masurischen See in Polen!


Dienstag, 11. Juli 2017

Polen - auf den Spuren der Vergangenheit

Wir lassen Stettin links liegen und fahren weiter gemütlich Chaussee durch die Uckermark über Usedom nach Swinoujscie – Swinemünde.


War es bis dahin ländlich-sittlich, wird’s plötzlich mondän. Vierstöckig stehen die Hotel- und Apartmentbauten in der vordersten Prachtallee gleich hinter den Dünen. Gut gemacht, modern halt, hoch und wenig beschaulich. Dahinter mehrere Strassenfluchten, rechtwinklig, eng und mehrgeschossig, nicht immer schön – wenig gemütlich.


Am Strand herrscht trotz nur vorsommerlicher Temperaturen Hochbetrieb. Die Strandbars mit Veranda und Blick sind gut gefüllt. Unsere ostdeutschen Landsleute scheinen in der Überzahl zu sein, man hört sie deutlich, erkennt die Mundarten. Vor ihnen stehen vereinzelt Cocktails oder Softdrinks, meist jedoch grosse Gläser gefüllt mit leckerem, polnischen Bier. Beliebter Gesprächsinhalt: Wie wenig das hier doch alles kostet.
Nun fehlt noch eine Unterkunft für die erste Nacht in Polen. Hotel neben Hotel und alles voll belegt oder die Zimmer gefallen nicht, die Preise passen nicht zu Ausstattung oder Zustand, trotz passabler Fassade.
Leicht frustriert überqueren wir die fast unsichtbare Grenze in umgekehrter Richtung und ..? Déjà-vu! Preise sind verdoppelt und passen nicht zu …, s. o.!
Endlich, am Rand von Heringsdorf, finden wir in einer Herberge mit christlichen Wurzeln das kleinste vorstellbare Zimmerchen mit winzigem Bettchen aber grossartigem Blick.


Am folgenden Tag, wieder zurück im Zielland, geht’s der Küste entlang gen Osten. Die deutsche Dominanz nimmt ab und es wird preiswerter.


In Kolobrzeg - Kolberg und Ustka - Stolpmünde macht auch die polnische Bevölkerung Urlaub. In Ustka übernachten wir, gemeinsam mit den Insassen eines deutschen Reisebusses, in einem modernen Hotel mit super Ausstattung, Zimmer mit grossem Balkon, Blick auf den Hafen und exzellentem Frühstück für €55 und essen ausgezeichnet am Strand im schönsten Restaurant für €25 – für beide. 


Das Bier schmeckt, das Wetter spielt mit, von gelegentlichen heftigen Regenschauern abgesehen – Urlaub eben!


Irgendwo unterwegs kommen wir durch Darlowo/Rügenwalde, dem Geburtsort der berühmt-berüchtigten Teewurst, deren vornehm dünkender Name, eine intime Beziehung zum britischen High Tea vorgaukelnd, in krassem Gegensatz zu ihrem gewöhnlich hohen Fettgehalt steht! Enttäuschend ist die Tatsache, dass dieser Ort heute keinerlei Zusammenhang mehr zur Produktion dieser Delikatesse aufweist, schade!


Danach, auf kleiner Landstrasse, schaffen wir es dank aussergewöhnlicher Fahrkünste so eben, grössere Schäden an Achsen und Stossdämpfern zu vermeiden. Schlagloch an Schlagloch halten die Fahrbahn zusammen! Immer wieder treten sie auf, als wolle die polnische Verkehrspolitik die Bürger des Landes zu langsamerem Fahren motivieren – ein sinnvolles Unterfangen. Es passt zur Null-Toleranz-Politik bezüglich des Fahrens unter Einfluss von Alkohol, zweifellos ebenso sinnvoll!Sonntags ist in vielen kleinen Orten grosser polnischer Markt. Und dies führt zu endlosen Staus, vor dem Ort und in Gegenrichtung dahinter. Alle wollen hin und suchen einen Parkplatz. Besser am Sonntag nicht Landstrasse fahren – drei Staus = 90 Minuten!

Gdansk – Danzig, hier ist fast alles belegt und es wird teuer – Preise wie in Deutschland und die Stadt voller Touristen aus aller Welt.


Wir geniessen die Altstadt, man muss sie einfach lieben. Der sagenhafte Aufbau der historischen Gebäude hinterlässt ungläubiges Staunen. 


Es ist schlichtweg unvorstellbar, wie die Polen nach 1945 diese Aufbauarbeit haben leisten können. Restauration klingt nach Ausbesserung – aber hier wurden Jahrhunderte alte, völlig zerstörte Häuser wieder errichtet, nicht vereinzelt, sondern hunderte von ihnen, naturgetreu, mit allen Extras, Skulpturen, Handgeländern, Türen und Fenstern, etc.! 


Es lohnt sich in Danzig und Warschau die entsprechenden Museen zu besuchen, um das Ausmass der Zerstörung und die überragende Leistung der polnischen Bevölkerung und ihrer Handwerker – wahre Künstler – ermessen zu können. Danzig ist toll!!!


Wir staunen über norwegische Fahnen, Gruppen von Nordskandinaviern in Restaurants und Cafés, überall. Warum bevölkern die Norweger die Stadt? - fragen wir unsere nette, polnische Bedienung, die so ausgezeichnet Deutsch und Englisch spricht. Cheap flights! - ist ihre Antwort. 'Norwegian', eine Billigfluglinie, fliegt mehrmals wöchentlich Danzig an und alles andere ist dort ebenfalls spottbillig, für Norweger.


Malbork – Marienburg, Hanne auf den Spuren ihrer deutschkreuzritterlich-nationalkatholischen Gesinnung (Scherz, sie doch nicht! - die Antichristlichkatholische!), aber, sie wollte dahin. Die Burg aus dem 13.-15. Jahrhundert ist monumental beeindruckend. Jeder Gedanke an Christlichkeit vergeht allerdings, hört man, dass die feinen Deutschritter aus purer Gewinnsucht Danzig, als damaliges Handelszentrum für Bernsteine, überfallen, niedergebrannt und die Bevölkerung einfach abgeschlachtet haben.
Auf dem Marktplatz des kleinen Ortes wird gefeiert. 


Ein Zug mittelalterlich gekleideter Personen, zum Teil hoch zu Ross, trifft ein. Man versammelt sich zwischen einer Bühne und einem Reiterdenkmal. Reden werden gehalten, lang, ausdauernd und für uns unverständlich. Ein Name fällt häufiger: Kazimierz – dieser polnische König kaufte die Burg für 'n Appel und 'n Ei von den Rittern. Sie hatten schlichtweg kein Geld mehr, konnten die Anlage nicht erhalten und zogen von dannen. Zwei Tage später zog Kazimierz dort ein – welch glückliche Fügung! Dies geschah, mehrere Jahrhunderte vor unserem Besuch, aber genau an diesen Tag!

Was fällt immer wieder auf:
    - Kosciuski, als Strassenname, an Denkmälern, u.v.a.m.. Den Mann kennen wir aus Australien, dort haben polnische Einwanderer einen ganzen Berg nach ihrem Nationalhelden benannt!
    - und Apteka – Apotheken an jeder Ecke, oft zwei, drei hintereinander! Muss man sich Sorgen machen um die Gesundheit unserer Nachbarn?

    Ostroda – Osterode, westliches Masuren, natürlich am See! Ein kleiner, unspektakulärer Ort, mit einer wunderschönen Seepromenade. Abends essen wir bei Sonnenuntergang direkt am Wasser ein Gulasch mit Knödeln – lecker! Erst später stellen wir fest, es war ein böhmisches Restaurant, wahrscheinlich eine Kette.

Warszawa – Warschau, wieder eine grossartige Altstadt. Alles über Danzig Gesagte gilt auch für Warschau. Trotz unserer kanzlerisch, sprichwörtlichen 'Gnade der späten Geburt' befällt uns in Polen häufig deutscher Scham – wir wehren uns nicht dagegen.


Vor dem Präsidentenpalast finden wir Tafeln, die an den Absturz der Präsidentenmaschine vor ein paar Jahren erinnern. An der Absperrung hängen einfache, kleine Holzkreuze. Ein junger Pole erklärt englisch sprechenden Touristen, dass diese Kreuze von Verschwörungstheoretikern stammen, die fest daran glauben, dass Putin das Flugzeug hat abschiessen lassen. Obwohl wir heute, nach mehreren Untersuchungen, mit Sicherheit wissen, ergänzt er, dass diese Behauptung jeglicher Grundlage entbehrt.


Wir suchen sie in allen Restaurants und Kneipen, wir lieben und bestellen sie fast täglich! Sie stehen in einer Reihe neben schwäbischen Maultaschen und italienischen Ravioli – die Pierogi! Gekocht oder gebraten, vegan, vegetarisch, mit Kraut und Fleisch oder ohne, manchmal mit Käse oder verschiedentlich mit mondänen Inhalten, vielleicht sogar mit Trüffeln? – einfach köstlich!

Sauerkraut findet man überall. In einer altertümlichen Beiz in der Warschauer Altstadt auch roh, gepaart mit Salz- und Gewürzgurke, zum Bier und Zeitvertreib bis das Essen kommt. Wir leeren den riesigen Teller und sind eigentlich schon satt. Wehrschaftes Essen, täglich, hinterlässt Spuren.

Torun – Thorn, der nächste Höhepunkt – ein allerliebstes, kleines Städtchen mit wunderschöner Backsteingotik


Mächtige Kirchen, oft nur von aussen schön, innen häufig stilgeschändet, mit überladenen, barocken Altären vollgestopft, wenn auch nicht so übertrieben wie in der Barockkirche in Warschau.


Und dann: Das Rathaus! Imposant und prächtig – allein deshalb lohnt sich der Besuch.
Abends suchen wir lange das gemütliche, kleine Restaurant. Nicht schon wieder ins libanesisch-polnische „Sphinx“, das uns in Malbork so gut gefallen hatte, mit guter, libanesischer Mezze. Immer wieder finden wir es in allen Städten. Auch unser kleines, altes, gemütliches Pierogi Restaurant in Warschau entpuppt sich als Kette.


In Torun finden wir unser Abendessen in einem alten, stimmungsvoll eingerichtetes Lokal, dunkel gemütlich! Müde vom täglichen Fussmarsch durch und um die Stadt sitzen wir schon zehn Minuten am Tisch, als ein Herr von nebenan aufsteht und uns in perfektem Deutsch mitteilt, dass es sich um ein Selbstbedienungsetablissement handelt. Die Auswahl an der Kantinentheke ist begrenzt, wir deuten auf Fleisch und Salat, die Teller werden reichlich gefüllt und wir bezahlen sechs Euro ohne Getränke.


Gniezno – Gnesen, um eine halbe Stunde verpassen wir die Fronleichnamsprozession und müssen uns mit dem ungeordneten Rückzug der Teilnehmer begnügen. Natürlich ist das ein heiliger Feiertag im katholischen Polen. Auch an diesem Tag sollte man nicht auf ländlichen Strassen unterwegs sein. Vormittags kommt der Verkehr vor jedem kleinen Ort ins Stocken, manchmal gibt's Umleitungen über Feldwege – alle stecken im Stau oder folgen der Prozession, bis mittags, dann wird gegessen, und die Wege sind frei!
Die Kathedrale ist mächtig. Vor ihr steht Boleslaw I., hier 1025 zum ersten König von Polen gekrönt, immerhin! … und obwohl:


Schon vorher machte sich Prinz Lech mit seinen Brüdern Chech und Rus auf die Suche nach einem Land, wo sein Volk in Frieden leben könne. Ein weisser Adler (Gniazdo) erhob sich, legendär, aus seinem Nest und hinter ihm ging rot die Sonne unter – Lech war am Ziel, gründete die Stadt Gniezno und nahm den weissen Adler auf rotem Grund zu seinem Wappentier. Polen ward geboren – 1025 oder viel früher eben!


Posnan – Posen, letzte Station, und wir landen im angenehm modernen Sporthotel Puro. Die Stadt ist gross im Vergleich zur kleinen Altstadt. Auf dem Marktplatz steht ein hübsch hässlich verbautes Rathaus


Rund herum ist der Bär los, es ist immer noch Fronleichnam, jetzt geht’s fröhlich zu. Am letzten Abend essen wir zum ersten Mal schlecht, Pech!



Und plötzlich drängt es uns zur Abreise, bitte nicht noch eine Stadtbesichtigung. Kurzentschlossen fahren bis Hamburg durch. Dummerweise verpassen wir die letzte Tankstelle in Polen, tanken in Deutschland deutlich teurer, bringen hunderte von Sloty nach Hause und tauschen sie zu schlechtem Kurs zurück, blöd!