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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Mittwoch, 19. April 2017

Laos

Till hat Recht – zwei Tage in Vientiane sind genug. Selbst der Reiseführer schlägt nur drei vor. Ohne diesen genau genug gelesen zu haben, buchen wir fünf Übernachtungen.
Ein Adjektiv stiftet Verwirrung: Die laotische Hauptstadt sei 'gemütlich' im Vergleich mit anderen süd-ost-asiatischen Metropolen! Stimmt, denn sie ist verhältnismässig klein. Nicht so klein wie uns der Taxifahrer vom Flughafen glaubhaft machen will – er spricht von 30.000, der Reiseführer von 760.000 Einwohnern – also eigentlich Grossstadt genug für unsere deutschen Verhältnisse.


Und Grösse hinterlässt Spuren. Der Verkehr zu den Stosszeiten quält sich im alten touristischen Stadtzentrum entlang des Mekongs durch parallel verlaufende Einbahnstrassen in Dreierreihe, justament dann, wenn unsereins abends das gemütliche Laorestaurant sucht. Immerhin man spart Geld, denn fussläufig unterwegs ist der Tourist allemal schneller als die Tuk Tuks!
Bewegt man sich zur Hauptverkehrszeit durch die Strassen Vientianes, leiden die Atemwege. Grossmotorige Diesel-SUVs, gänzlich ohne Start-Stop-Automatik, oft auch mit laufendem Motor als Verkehrshindernis bei längerfristigem Parken auf Gehwegen anzutreffen, machen das Atmen schwer. Der Motor betreibt die Klimaanlage, die dem Fahrer bei 35 C die Entscheidung zugunsten des Eigenwohls leicht macht.


Am Mekong, mit Blick auf das thailändische Ufer, fällt es der Sonne abends schwer, die belastete Luft bis zum Schluss zu durchdringen. Neben Abgasen leisten hier noch Ein-Mann-Kleinstflugzeuge mit riesigen Windturboantrieben ihren Beitrag zur Luftverdunklung. Sie erheben sich auf den staubigen Sandbänken am Fluss, um aus der Höhe den Sonnenuntergang besser geniessen zu können.


Dennoch, an der Open-Air-Restaurant-Meile oberhalb des Ufers kommt bei eisgekühltem Beer-Lao eine fast ungetrübte Romantik auf. Die leckere Lao-Bratwurst mit Lemongras und tropischen Gewürzen macht den Abend perfekt!


Auf dem Stadtplan von Vientiane zähle ich 38 Vats und Thats. Die Vats beherbergen die orangerot gekleideten Bettelmönche, die sich allmorgendlich in Scharen auf den Weg machen, um Nahrung von der ohnehin schon armen Bevölkerung zu schnorren.


Diese Mönche stammen in der Regel aus wohlhabenden Familien, die es sich leisten können, einen oder mehrere Söhne in eine mehrjährige buddhistische Ausbildung ins Kloster zu schicken. 


Bedanken müssen sich diese Gottesdiener für die Gaben nicht. Der Geber muss dankbar sein, eine 'gute Tat' vollbringen zu dürfen. Ich denke immer an Eric aus Myanmar, der beim Thema buddhistische Mönche und Klöster beinah seine gute Erziehung verlor.

Nicht alle, aber doch die wichtigsten Vats und Thats (Pagoden) muss man anschauen, daran geht kein Weg vorbei. 



Uns gefallen all die, die weniger von den heimischen Gläubigen frequentiert werden. Dort lassen sich alte Kunstwerke bewundern, ohne, dass das Auge durch andere, moderne, oft schrecklich bunte Dinge, verwirrt wird.  


Auch glimmen dort nicht so wahnsinnig viele Räucherstäbchen – sehr zur Freude des Abgas geplagten Rachens. Eigentlich selber Schuld, weshalb reise ich mit einem ausgewachsenen Husten durchs Land?


Wieso sitzen und stehen eigentlich in jedem Tempel so viele Buddhas? Man stelle sich eine christliche Kirche vor, überfüllt mit hunderten von gekreuzten Jesusfiguren in allen Grössen. Ich glaube, jeder kann seinen individuellen Beitrag zum Glauben leisten und einen Buddha oder gar eine ganze Pagode zur Ausstattung der religiösen Stätten beitragen.


Um bei der Planung der Reise die Anzahl der Stopps niedrig zu halten, wurden nur drei Orte ausgewählt, die wir besuchen und von denen wir gegebenenfalls Ausflüge unternehmen wollten. Grundsätzlich eine gute Idee, die sich jedoch mit der Festlegung des zweiten Ziels als falsch herausstellt. Wir fahren mit einem Minibus sechs Stunden übers Land nach VangVien. Die Fahrt durchs Gebirge, über Pässe, Serpentinen rauf und runter und durch den Urwald ist wunderschön und abenteuerlich! Die Volksrepublik Laos hat mit brüderlich chinesischer Hilfe eine autobahnähnliche Schnellstrasse gen Norden gebaut, vorbei an all den Gebirgspässen. Nur wird diese Prachtstrasse während der Regenzeit immer wieder überflutet und in Folge zerstört und unbenutzbar. Wir geniessen die kurvige Fahrt. Den Reiseführer sollte man zu der Strecke nicht konsultieren – wir lesen etwas von Banden, die Busse und PKW überfallen!?! Kaum vorstellbar, die Laoten sind so freundlich und herzlich.


Gefährlich wäre die Reise weiter östlich, nahe der vietnamesischen Grenze, wo immer noch Massen von Minen und nicht gezündeten Bomben die Landschaft z.T. unbegehbar machen. Mehr als zwei Millionen Tonnen Sprengstoff haben die USA während ihres 'geheimen' Krieges zwischen 1963 und 1973 über Laos abgeworfen. Bis zu 700 Flugeinsätze gab es pro Tag, um den Nachschub auf dem Ho-Chi-Minh-Pfand zu stoppen.

Der zweite Fehler, s.o., in diesen Tagen heisst Vang Vien, und Schuld ist der Reiseführer, der positiv berichtet, die Backpackerhochburg sei längst nicht mehr die Partydestination, sondern durchaus geläutert und gesäubert durch die spektakuläre Aktion des laotischen Präsidenten persönlich, der kurzerhand anordnete, die Trinkgelagestätten am Flussufer abzureissen!
Am Busstopp treffen wir schon auf eine aufgeregte Engländerin, die einen Teil des Wegs zum Fluss neben uns geht. Sie spricht schnell und ist völlig aufgebracht: So ein hässlicher, scheusslicher Ort, hier müsse sie jetzt eine Nacht verbringen, schrecklich, nur weil sie sich mit jemandem verabredet hat, hoffentlich findet sie den jetzt in dem Chaos, und was das wohl für eine Unterkunft sein mag!?!


Die haben wir in jedem Fall richtig gewählt, wir wohnen im Riverside, dem schönsten Hotel am Rande des engen, bepackten Vang Vien, direkt am Fluss mit atemberaubendem Blick auf diese Karstberge, die wir schon aus China und Vietnam kennen, die aber ihre fantastische Wirkung nie verfehlen. Nach einem Spaziergang ins Ortszentrum und einem Abendessen in der 'Luang Prabang Bakery' fällt der Entschluss leicht, die verbleibenden Tage einfach im Hotel zu verbringen.


Morgens um sechs donnern Quadbikes mit knatterndem Getöse über die alte, unschuldige Stahlhängebrücke direkt neben unserem Hotel. So gegen Mittag wird es ruhiger – ab zwei Uhr kommen sie 'gesichtlos' zurück. Bikes und Fahrer sind von einer dicken Schlamm- oder Staubschicht überzogen (je nach Wetter), die Gesichter mit Tüchern verhüllt, die Gläser der Brillen so eben mühevoll freigewischt. Nur vom Voranfahrenden einer jeden Gruppe lassen sich Konturen erkennen.


Am späteren Nachmittag plötzlich quadbikeähnlicher Lärm! Auf dem Fluss fahren unzählige schmale Longboats vorbei, die, angetrieben von Zweitaktmotoren, je zwei Touristen, auf winzigen Plastikstühlchen hintereinander sitzend, transportieren.


Beim beschaulichen Abendessen auf dem Balkon unseres Hotels, direkt über dem Fluss, overlooking dunkle Silhouetten der Karstberge gegen den noch hellen Abendhimmel, ist alles vergessen. Frieden herrscht.


Tagsüber, nach dem Abebben des Quadbikeflows, liegen wir am Pool und lesen ungestört, bis die beiden schwimmenden Restaurants am gegenüberliegenden Flussufer beginnen, werbewirksam und mit Hilfe je eines plärrenden Lautsprechers, musikalisch Kunden anzulocken. Leider erfolgt dies nicht synchron, sondern mit unterschiedlichsten Musikstilen und keineswegs ausgetaktet. Völlig vergeblich obendrein, denn Gäste für die kleinen Flösse, auf denen man gemütlich an niedrigen Tischen liegen könnte, sind weit und breit nicht in Sicht. Am folgenden Tag interveniert das Hotel zugunsten seiner Gäste, die Musikbeschallung ist um einige Dezibel niedriger.


Wären der Ort und die Touries nicht, kämen wir wieder. Dann könnte man den empfohlenen Spaziergang über die Brücke und durch die dahinterliegenden Reisfelder, vorbei an den schroffen, steilen Hängen der Karstberge wagen, das wäre toll!

Letzter Stopp Luang Prabang, wiederum nach sechs Stunden Minibusfahrt durch atemberaubende Landschaft. Im Bus kommt Unmut auf, weil wir merken, dass wir alle unterschiedliche Tarife bezahlt haben. Die Aufregung legt sich wieder, alles in Laos ist so billig, dass man ständig ein schlechtes Gewissen hat, Dienstleistungen zu so niedrigen Preisen in Anspruch zu nehmen. Unterwegs machen wir zweimal Pause an einem Kiosk, Toiletten fürs Geschäft in freiem Fall und ohne Wasserspülung gibt's im Hof. Neben der Toilette steht ein Fass mit Wasser und einem Schöpfgerät, funktioniert problemlos.


Am Busterminal in Luang Prabang fragen zwei junge Deutsche, ob wir uns nicht mit ihnen ein Tuk Tuk in die Stadt teilen könnten. Na klar, kein Problem, und während wir noch auf unser Gepäck warten, dass vom Dach des Busses heruntergereicht wird, sind wir plötzlich umgeben von jungen Backpackern aus England, Australien, Deutschland und der Schweiz. Die Fahrer organisieren ein grösseres Gefährt und die jungen Leute feilschen, was das Zeug hält. Zehn sind wir, als es losgeht, und ich zahle die Hälfte, obwohl wir als erste gleich um die Ecke wieder aussteigen. Ungläubige Gesichter und dann eine herzliche Verabschiedung – mir wird ein wenig wehmütig zu Mute, sie hätten alle meine Schüler sein können. Leider gibt es kein Wiedersehen, wahrscheinlich haben wir nicht in den selben Kneipen getrunken und in anderen Restaurants gegessen.


Wenn man nach Laos reist - und das sollte man, wegen der netten Leute, der tollen Landschaft, dem leckeren Essen (fünf verschiedene Sorten Bratwürste, Springrolls, fresh and fried, mit und ohne Fleisch, Laab mit Rind, Schwein, Huhn oder vegetarisch, dried Beef, Nudelsuppen, usw.), dem mighty Mekong, den Elefanten, Tigern, Leoparden, Wasserfällen, Vats und Thats u.v.a.m. - dann muss man nach Luang Prabang, weil es das alles da gibt.







Tiger und Leoparden heutzutage allerdings nur noch in einem der letzten Stummfilme aus dem Jahr 1927. An zwei Orten in der Stadt wird der Film täglich, kostenlos und 'open air' gezeigt. Das Werk ist absolut sehenswert und wurde von den selben Leuten produziert, die auch den ersten King Kong Film in schwarz/weiss gedreht haben.


Luang Prabang ist sehr touristisch, auf eine freundliche, unaufdringliche Weise. Selbst dort, wo ein Café, bzw. Restaurant neben dem anderen liegt, strahlt die Stadt eine ruhige Gemütlichkeit aus. Darüber hinaus bietet sie offenbar alles, was junge und alte Besucher anzieht. Das Publikum ist angenehm gemischt.



Die letzten drei Tage verbringen wir zwanzig Kilometer ausserhalb der Stadt, in dem kleinen Resort 'Hillside'. Holger holt uns persönlich aus dem Hotel ab. Er ist Deutscher, seit vielen Jahres im Land, verheiratet mit einer Laotin und Vater eines fünfjährigen Sohnes. Am Wochenende lebt er mit seiner Familie dort mit den Gästen, wochentags managt Pierre aus Frankreich den Laden.
Als erstes werden wir Rusty vorgestellt. Der Hund des Hauses ist friedlich und schliesst sich jeden Morgen der ersten Wandergruppe an, die das Resort verlässt. Noch nie haben sich Wanderer verlaufen. Rusty kennt alle Wege und geleitet jederman zuverlässig nach Hause.
Wir entscheiden uns für die einfachste Wandervariante, nicht zu weit wegen der Hitze und ohne grosse Steigungen soll sie sein, wegen der angegriffenen Knie. Rusty ist nicht in Sicht als wir uns nach einem gemütlichen Frühstück auf den Weg zu den Wasserfällen machen.



Nur zwei Kilometern und wir kommen in das Dorf einer ethnischen Minderheit, finden die Ortsmitte, biegen nach Holgers Weisungen links ab und gelangen an das Tor am Ortsausgang, durch das man nicht gehen darf, wenn es einen Todesfall im Dorf gegeben hat. Die Vegetation links und rechts des winzigen Tores, einen Meter breit und knapp zwei Meter hoch, ist unberührt, woraus zu schliessen ist, dass kürzlich niemand verstorben sein kann.
Nach wenigen Metern bemerken wir einen jungen Mann der uns folgt. Verbale Kommunikation ist unmöglich, Mimik und Gestik bedeuten, dass er uns den richtigen Weg zeigen möchte. Er warnt uns vor dem plötzlich steil nach unten führenden Weg und bietet uns immer wieder hilfreich seinen Arm an. Ich lehne dankend ab, lieber falle ich allein, wohl wissend, dass mich sowieso niemand halten kann – eine gewisse Verantwortung für hilfreiche Personen ist mir nicht abzusprechen!


Holger hatte uns eingeschärft, in jedem Fall rechts zu bleiben, wenn der Pfad sich teilt, das sei der leichtere Weg nach unten zu den Wasserfällen, der linke eigne sich besser für den Aufstieg. Wir rechnen nicht mit dem energischen Widerstand unseres Führers. Erst nach einer fünfminütigen Auseinandersetzung mit Händen und Füssen können wir uns durchsetzen. Eigentlich ist es so, dass er links und ich stoisch rechts abbiege und – der Klügere gibt nach! Wir gehen also rechts und... na ja, der junge Mann kennt sich aus! Umgeben von dichtem Urwald kämpfen wir uns vorwärts durchs Tarzanwunderland, Baum an Baum und alle dicht behangen mit Lianen.


Die von Holger zu unserer Beruhigung angekündigten Gehwegplatten haben der wuchernden Natur nichts entgegenzusetzen. Wenn in tropischen Urwäldern ein Baum umfällt, hat Zivilisation keine Chance. Trotzdem, wir schaffen es, bergauf, bergab, bis zu der Stelle, an der die Wassermassen zu Tal toben, wenn nicht, wie jetzt, gerade Trockenzeit ist – Gott sei Dank, wir wollen uns den Weg nicht im Regen vorstellen. Nach dem mühseligen Abstieg beschliesse ich bergauf die Stufen bis zur Abzweigung zu zählen. Es sind 1.200 – eine leichte Wanderung eben.


Auf dem Weg zurück schwelen in dem Dorf die Reste der zahlreichen Lagerfeuer der vorangegangenen Nacht. Holger erzählt, dass es in diesen Dörfern immer noch die Tradition der Geschichtenerzähler gibt. Man versammelt sich abends ums Feuer und die Alten erzählen stundenlang und oft über mehrerer Tage. Leider gibt es seit einiger Zeit immer mehr Stromaggregate, die den Betrieb von Fernsehern und den Empfang unzähliger thailändischer Sender ermöglichen, die von morgens bis abends billig produzierte Soaps ausstrahlen. Die Tradition des Geschichtenerzählens geht stark zurück. Holger hat den Dorfältesten angeboten, die Geschichten aufzunehmen, um sie auf CD erhalten zu können. Sie hätten ihn lange angeschaut und dann gefragt, was denn für sie dabei rausspringen würde.


Es folgen zwei Tage im Schatten am Pool, mit frisch gepresstem Mangosaft und sehr leckerem Essen.


Und wir dürfen uns an Pierres französischem Wein laben. Seine Eltern waren auf Besuch gewesen und hatten mehrere Kartons aus Frankreich angeschleppt. Den ersten Karton teilt er eines Abends grosszügig mit allen Gästen – eine willkommene Abwechslung zu Beer Lao. In den ersten zwei Wochen hatten wir in Restaurants immer wieder ein Glas offenen Wein probiert, rot und weiss. Es war nur stets der gleiche Massenimport aus Chile und egal in welcher Farbe schmeckte er gleich scheusslich!



Bei nächsten Besuch in Laos landen wir gleich in Luang Prabang und machen von dort aus noch eine Fahrt den Nam Ou rauf und runter durch die Karstberge.


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