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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Dienstag, 12. Juli 2016

Printemps en France

Wir fahren diesmal über Colmar in die Grande République, weil wir vorher in Königschaffhausen noch einmal gut essen und trinken wollten - seit über zwanzig Jahren lassen wir uns dort im Hotel Adler zu akzeptablen Preisen kulinarisch verwöhnen! Hinter Munster klettern wir auf 1.139 m und überqueren die Col de Schlucht auf erstaunlich guter Strasse, besser als ich sie in Erinnerung hatte, vielleicht geht die Tour de France in diesem Jahr über diese Höhe. Wildromantisch und keiner da! Immer wieder staunen wir über die Leere in diesem Land, endlose Wälder, riesengrosse Felder und wunderschön, vor allem, wenn die Sonne uns die Ehre gibt und Freude macht. Tiefes dunkelgrün, hellgrünes Laub und weite, tief gelbe Rapsfelder auf sanften Hügeln - grandios!


Die einsamen Landstrassen füllen sich schlagartig mit LKW, wenn sie sich den Autobahnen oder Nationalstrassen näher oder, schlimmer noch, parallel zu den Autoroutes verlaufen. Kein LKW fährt auf diesen Mautstrassen, wenn er es vermeiden kann. Schon zehn km hängen wir hinter dem 40Tonner und können ihn nicht überholen. Endlich nähert sich die Autobahnauffahrt, nix da! Er düst, mit maximaler Geschwindigkeit und ebenso hohem Schadstoffausstoss, weitere 20 km auf der Landstrasse vor uns her. Der mittelgrosse Ort mit medieval centre liegt auf einem Berg. Sonst gibt es en France überall Umgehungsstrassen, für jedes Dörfchen. Hier nicht! Mühsam schlängelt sich das Monstrum vor uns ein paar hundert Höhenmeter hoch - keine Chance zu überholen. Kurz vor der Stadtmauer biegt die Strasse ab und schlängelt sich mühsam wieder nach unten. Fünf Kreisverkehre weiter endlich die nächste Auffahrt und das segensreiche Hinweisschild auf eine Vollsperrung der Nationalstrasse Richtung Dijon. Da muss er auf die Autobahn, zwangsläufig! Am folgenden Tag wissen wir warum, für 160 km Autobahn zahlen wir mit unserem Kleinwagen EURO 22.60 - dafür gibt es auf dem Land schon ein vernünftiges 3/4- Gang-Menü! ... und die Autobahnen sind leer – auf dieser Strecke überholen wir mit den vorgeschriebenen 130 km/h lediglich 30 LKWs- wie in Deutschland am Sonntag - die meisten mit ausländischem Kennzeichen.


 Orleans hat eine Kathedrale, wie fast alle grösseren Städte in Frankreich. Sie hatte vor Jahren keinen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen und brilliert auch diesmal mehr von aussen als von innen. Jeanne d'Arc wohin das Auge blickt, ihre Story erzählt auf zehn überdimensionalen Kirchenfenstern. Uns war unklar, weshalb sie auf den Scheiterhaufen musste, nachdem sie den König, Charles VII, in Chinon aus seiner Lethargie erweckt und ihm gegen die Engländer zum Sieg verholfen hatte. Jetzt ist klar, es waren die Tommies, die sie erst zu lebenslanger Haft verurteilten, um sie dann mit fiesen Tricks dennoch umzubringen. Und das alles mit Hilfe der Burgunder. Der scheinheilige Charles VII hatte sie fallen lassen. Der Typ muss gestört gewesen sein. Bevor er ihre Hilfe in Anspruch nahm, wurde sie wochenlang von Priestern geprüft, ob sie nicht vielleicht mit dem Teufel paktierte hatte und von Nonnen untersucht, ob sie denn noch Jungfrau sei. Und das alles mit sechzehn Jahren und diesem militärstrategischem Geschick. Wer spinnt jetzt hier, die Engländer oder die Franzosen? Beide? Erzfeinde unter sich!!!

 
Eigentlich kommen wir in Frankreich sprachlich ganz gut zurecht, halt so, wie in Italien und Spanien auch! Nein, so gut wieder auch nicht! Speisekarten lesen, bestellen, um die Rechnung bitten, nach einem Zimmer fragen geht problemlos, die Antwort verstehen ist das Problem, unterhalten ist mühsam, wenn nicht unmöglich. Auch auf dieser Reise stossen wir an unsere Grenzen, meist geht es glimpflich aus, wenn auch oft ein bisschen peinlich. Die Dame im Hotel in Orleans serviert uns morgens einen Cafè gleich neben dem Empfang und fragt etwas, was ich als: Darf es noch etwas sein? interpretiere! Nein danke, antworte ich, schliesslich wollen wir mittags unterwegs irgendwo schlemmen. Ein ungläubiger Blick, dann teilt sie uns in perfektem Englisch mit, sie habe nur gefragt, ob sie den Cafè dort hinstellen dürfe! Ich beschliesse, in Zukunft nur noch fragend zu schauen, wenn ich nicht verstanden habe. Auf mein Kompliment, sie spreche wirklich ausgezeichnet Englisch, antwortet sie grinsend, sie sei schliesslich auch keine Französin! Und genau das ist der Punkt - im Jeanne d'Arc Haus teilt uns die Dame an der Kasse in gewöhnungsbedürftigen Frankoenglisch mit, der Eintritt berechtige auch zum Besuch ... Musee ... etc. ... und der Film auf Englisch ... usw.! Wir zahlen EURO 4 für eine miserable Diashow mit Tonstörungen, die uns aber auch gar nichts Neues mitteilt, um dann festzustellen, dass der Rest des Museums geschlossen ist. Missverstanden?


Wir lassen es uns gut gehen, wie Gott in Frankreich eben. Zwei Glass Weisswein avec vue sur la statue de Jeanne, an bestem Platz in Orleans, kosten EURO 5.50. Zwei Cafè creme in selbiger Bar mit selbigem vue EUR 7.60 - man achtet in Frankreich darauf, dass die Grundnahrungsmittel erschwinglich bleiben!


Kurz vor Rennes liegt die kleine Stadt Vitré, ein Schmuckstück - mittelalterliche Gassen, ein Chateau, wunderschön! Wir übernachten im Minotel, in einem winzigen Zimmer, aber das Doppelbett hat eine gute, neue Matraze und eine 'normale' Bettdecke, ohne die obligatorische, kratzige Wolldecke, von der niemand genau weiss, wann sie das letzte Mal gewaschen wurde! Zu kritisieren an dem Ort sind nur die unendlich vielen Crêperies - aber, wir sind in der Bretagne, wenn auch erst am Anfang. Die Rezeptionistin empfiehlt und das 'normale' Restaurant 'LES PIEDS SOUS LA TABLE' - das Essen ist ausgezeichnet!


Wir können nicht mehr links abbiegen, mühsam trainiert in jungen Jahren, verlernt man es in Frankreich innerhalb kürzester Frist! Schuld sind die Rondes Pointes, einer reiht sich an den anderen, bis zu vier auf wenigen 100 Metern! An einem Tag fahren wir 83 km, halb Landstrasse, halb innerorts und umkreisen dabei nicht weniger als 85 Kreisverkehre - rekordverdächtigt? Nein, führe man nur innerhalb geschlossener Ortschaften, könnte man es locker auf die dreifache Menge bringen, pas de problem! 


Toll sind auch die verkehrsberuhigenden Elemente des französischen Strassenbaus. Sie lassen sich richtig etwas einfallen. Schlangenlinien fahren bringt Spass. Wer denen nicht folgt, prescht permanent über kleine Bordsteinkanten, auch lustig! Hier ein Verkehrshindernis rechts, dort eins links - auch die verkehrsschilderproduzierende Industrie profitiert, vor jeder Verengung eins dieser Schilder mit einem roten und einem schwarzen Pfeil, die anzeigen, wer vor dem anderen die Enge passieren darf. 


Erwähnenswert sind auch die böswillig in die Fahrbahn implantierten Beulen, Sleeping Policemen, nennt man sie auf den britischen Inseln, manche lassen sich weich, mit leichtem Achterbahneffekt überqueren, anderen sind schlicht stossdämpferzerstörend - aber wer weiss? Man kurvt wie wild, bremst alle paar Meter ab, beschleunigt wieder, bremst, usw.! Grossartig, oder?! Meine Reifen sind abgefahren, der Kraftstoffverbrauch steigt trotz langsamer Fahrt, die Federung ächzt - wer profitiert hier?

Trotzdem, wir geniessen das Land, die bretonische Südküste, den Wein und das Essen.


Zum xten Mal das Hummermenü im Le Doris in Kerity an der Süd-West-Spitze. Frisch aus dem 'Aquarium' im Restaurant!


Foie Gras, zweimal den halben Hummer mit kleiner Pause und Dessert!
Avec Sancerre? Oui! 

 


Dort nebenan finden wir auch die FeWo mit Kamin für den nächsten Aufenthalt – vielleicht mal im Winter!!! ... Le Doris ist ganzjährig geöffnet!!!


Eine einsetzende Schlechtwetterphase drängt zur Umkehr. Muss sein, wenn in Hamburg schon mal die Sonne scheint. 

Nach drei Tagen Fahrt und knapp 1.500 km sind wir schon da! Für's Wochenende zu weit. Vielleicht fliegen wir das nächste Mal, dann ersparen wir uns auch die unglaublichen Schlaglöcher auf belgischen Autobahnen.

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