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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Freitag, 29. April 2016

Andalucia


Altersgerecht fliegen wir an einem kalten Nachmittag in den sonnigen und manchmal auch warmen Süden Spaniens, statt die 2.300 km Anfahrt auch schon im Auto zu verbringen.
Das 4*-Hotel für EUR 49 pro Nacht, ohne Frühstück, aber mit zwei grossen Betten, gehört zu einer amerikanischen Kette und ist nicht leicht zu finden. 

 
Ungeschickt hatten wir die grosse Bucht auf der anderen Seite des quirligen Urlaubsortes ausgesucht – vom Flughafen aus fahren wir 25 km durch den Stadtkern, immerhin meist mit Meerblick. Einen solchen hatte das Hotel nicht aufzuweisen, es liegt nur 400 m vom Strand entfernt, aber inmitten der unzähligen Betonkästen, nicht etwa Hotels, sondern Apartmentblocks, die keinerlei Weitsicht zulassen.
Wahrscheinlich um den Verkehr zur Haupturlaubszeit übersichtlicher zu gestalten, werden die riesigen Monsterbauten ausschliesslich von Einbahnstrassen durchzogen, was dazu führt, dass man das Hotel links unmittelbar vor sich sieht, aber rechts abbiegen muss und keine Ahnung hat, wie man da jemals wieder hinkommen soll. Es ist schon dunkel, die Ausschilderungen nicht mehr zu lesen und das Hotel wirklich nicht leicht zu finden!


Gern verlassen wir Alicante am folgenden Morgen und machen uns auf die Suche nach lauschigeren Orten. An den Costas, del Sol, Blanca oder wie sie sonst so heissen im südlichen Spanien ist das schwer. Die gesamte Küste ist zugebaut, Beton wohin man sieht. Hügel mit Meerblick, überzogen von Terrassenbauten, hübsch hässlich. Wer wohnt da bloss? Oder macht man dort Urlaub? Fünf Kilometer vom Wasser entfernt, mit mindestens einer vierspurigen Schnellstrasse oder sogar Autobahn dazwischen? Kauft man diese Wohnungen freiwillig? Unvorstellbar!
Immer wieder versuchen wir ans Meer vorzudringen, um irgendwo in der Sonne einen Café zu trinken. Keine gewachsenen, gemütlichen Orte, aber mit Strand. Café? Fehlanzeige! Alles leer, keiner da, die Betonblöcke sind verwaist, die Touristen kommen später. Erst nach zwei Wochen finden wir das idyllische Restaurant direkt am Strand!


Murcia soll schön sein, Altstadt, Kathedrale, Universität, Plazas, schön eben – es stimmt! Wir verirren uns im Einbahnstrassengewusel und sind in den engen Gassen nicht zum letzten Mal froh, das kleine Auto gebucht zu haben! Entnervt fahren wir in eine Tiefgarage und machen uns zu Fuss auf die Suche nach einem Hotel, bleiben aber natürlich in einem ausgezeichneten Restaurant neben der Kathedrale hängen und lassen es uns erst einmal gut gehen.
Die Stadt strahlt eine leichte Unruhe aus, die vorbei eilenden Menschen stehen unter einer positiven Spannung – Ereignisse scheinen sich anzukündigen. Wir können nicht wissen, dass eine Woche nach Ostern das Ende der Fastenzeit ebenfalls karnevalmässig gefeiert werden muss! Gegen Abend stehen plötzlich überall Absperrungen, rechts und links der Feiermeile werden Stühle aufgebaut, bunt gekleidete Männer und Frauen ziehen an uns vorbei, Gruppen formieren sich vor der Kathedrale. 



Riesige Gefährte mit Lautsprecheranlagen bringen sich Position, leicht bekleidete Damenriegen stülpen sich Federboagebilde über den Kopf, schminken sich gegenseitig und versuchen sich irgendwie warm zu halten, es ist kalt abends, auch in Andalusien im April.
Nicht zu vergleichen mit Rio, Basel oder Köln, aber die Akteure geben sich Mühe.
Kurz nach Anbruch der Dunkelheit beginnt der Spass. Jetzt wird es laut – die Trommler schlagen richtig zu - und immer voller, eine Formation nach der anderen zieht vorbei. Die japanische Brassband macht richtig Eindruck! Ist das eine echt brasilianische Truppe? Wir müssten auch tanzen, um warm zu bleiben, allein, es fehlt an Platz.
Durchgefroren fliehen wir in eine Kneipe. Mist, hier gibt es nur englisches Bier! Egal, Hauptsache warm. Um Mitternacht ist alles vorbei, kein Lärm mehr, die Strassen wie leergefegt, die Stühle bei Seite geräumt – wir erfahren, heute am Freitag, das war nur der Anfang, morgen, Samstag, geht es richtig los, die ganze Nacht und so. Schade, da sind wir nicht mehr da!


In Spanien klappt es wohl nicht so mit der mediterranen Diät, die mir meine Kardiologin so warm ans Herz gelegt hat. Sonntag in Caravaca, ein kleiner Ort mit einem Hügel über der Stadt, auf dem ein altes Kloster mit einer prachtvollen Kirche steht. Gemeinsam mit der Feiergemeinde warten wir auf die Brautleute. So viel Pracht sieht man selten! Die meist fülligen Damen sind aufgebrezelt, die reine Wonne strahlt aus ihren Gesichtern – und dann erst die Braut, sie schlägt alle anderen – sie ist sooo schön! Der Papa strahlt auch, ist er etwa froh, dass er sie los ist?
 

Unten in der Stadt dann die böse Überraschung – ein Knöllchen klebt an der Windschutzscheibe! Wohl dem, der Spanisch kann. Wir erkennen anulacion – was muss man tun? Ein Wort ergibt das nächste und schon kommt leichte Hoffnung auf, die von zwei reizenden jungen Damen in fundamentalem Englisch, unterstützt durch heftiges Kopfnicken und vielen si, si, si, auf meine Fragen, bestätigt wird. Schnell kaufen wir beim Chinesen gegenüber eine grosse Flasche Mineralwasser für einen Euro, um an das nötige Kleingeld zu kommen, gehen zum Parkautomaten, kaufen ein Ticket, legen es und das Knöllchen in den winzigen Umschlag, der netterweise mitgeliefert worden war und schieben diesen durch den noch winzigeren Schlitz am Parkautomaten. Perfekt, könnte das bei uns nicht auch so unkompliziert gelöst werden?

Die Chinesenläden gewinnen wir lieb. Wir kennen sie schon aus Italien. Alles super billig, immer geöffnet und sehr freundlich lächelnd, besonders wenn man beim Eintreten ni hao! sagt, sich mit xiè xiè! bedankt und mit zia jian! verabschiedet! 
 

Den Nachmittag verbringen wir im Auto. Mir haben es grüne Strassen angetan und von Puebla de Don Fadrique kurven wir – im wahrsten Sinne des Wortes – bergauf und bergab die 80 km auf der A 317 nach Hornos. Endlos schön, stundenlang und ein wenig anstrengend – aber es lohnt sich! Wir überqueren die Sierra de la Sagra und die Sierra de Segura, über 1.600 m hohe Pässe, vorbei an 2.381 m hohen Bergen - eine traumhafte kleine, z. T. enge, unübersichtliche Strasse, sehr gut ausgebaut und sehr, sehr kurvenreich! In Hornos dann leider nur eine Pension mit einem Stern und weil es doch sehr nach Matrazenlager und WC übern Flur aussieht, fahren wir weiter die grüne Strasse am Stausee entlang und finden das Hotel in der Einöde, direkt am See und mit Blick auf den 2000er gegenüber, die Suite mit zwei Schlafzimmern für EUR 71 inkl. Frühstück.


Kaum aus den Bergen raus, empfangen uns hinter Cazorla die Olivenhaine. Auf sanften Hügeln über 100 km bis Cordoba – nur Olivenbäume. Da kann man von Monokultur sprechen – fast wie die unendlichen Plantagen mit Palmen in Malaysia und Indonesien – sieht erst faszinierend und irgendwann nur noch endlos (bl-) öd aus.

Gott sei Dank, Regen, nach einer Woche hatten wir schon leichte Entzugserscheinungen! Vor und in Cordoba giesst es 50 km lang wie aus Kübeln. In der Stadt retten uns zwischen Hotel und Mezquita erst ein Restaurant und dann der Tourischirm für 8 EUR, der am Nachmittag nach zweimaligem Auf- und Zumachen bereits die erste Strebe hängen lässt und entsprechend traurig aussieht.


Die Mezquita ist für uns eines der wunderbarsten Gebäude, die wir je gesehen haben – auch beim zweiten Besuch sind wir mehr als beeindruckt – hier kann man ehrfurchtsvoll verharren. Um so grauenvoller die Kathedrale, die die erzkatholischen Spanier, nach der Vertreibung der Mauren, mitten in dieses orientalische Baukunstwerk hinein geschustert haben. Ihr eigener Kaiser Karl V. meinte damals: „Ihr habt etwas Einmaliges zerstört, um etwas Gewöhnliches zu bauen!“ Wir stimmen ihm vollumfänglich zu. Das plötzlich aus den grossartigen Säulen völlig sinnlos emporschiessende Monstrum hat etwas Wollüstiges, aber so ist sie eben, die Katholische Kirche, da sind wir uns mit unserem alten Freund Toni Wohler einig.


Wenn Spanien einen Schönheitswettbewerb für die schönste und einen für die spanischste Stadt ausschreiben würde, Sevilla würde sie zweifelsohne beide gewinnen, sagt unser Michelin-Reiseführer – richtig! Zum zweiten Mal sind wir begeistert, es stimmt einfach alles. 

 
Granada dagegen enttäuschte! Vor ein paar Jahren sassen wir am ersten Tag noch in der Sonne und genossen den Café, am folgenden Morgen lagen auf der Alhambra 10 cm nasser Schnee, der die Schuhe aufweichte und uns frösteln liess. An den Bushaltestellen standen Menschen mit Skiern Schlange, um auf die, nur ein paar km entfernte, Sierra Nevada zu fahren – es war allerdings Ende Januar! Auch diesmal, im April, machte die „Sierra Nevada“ ihrem Namen alle Ehre, die „Bergkette war beschneit“!

 
Die Stadt ist stellenweise wunderschön, insbesondere die Alhambra. Aber die engen Gassen der Altstadt mit Kneipen und Restaurants müssen den Vergleich mit denen in Sevilla und Malaga und sogar Jerez und Cadiz, scheuen.

 
Die Kathedrale ist schon von aussen einfach nur hässlich, die Plazas sind klein und unspektakulär. Was einem überall passieren kann, passierte in Granada: aus einem Rucksack wurde das Portemonnaie mit Geld, aber Gott sei Dank, ohne Karten und Papiere, gestohlen. Ich hege den Verdacht, das liegt nur daran, weil wir den, rechts und links neben dem Eingang jeder Kathedrale, forsch bettelnden Frauen, die, in Spanien, wie in Italien, alle aussehen, als kämen sie aus Rumänien, wieder nichts gegeben hatten.
und dann sind wir, nachdem wir schon vor dem Ticketoffice im Inneren des Gebäudes standen, wieder umgekehrt, auch, weil wir die fünf EUR Eintritt anmassend fanden – in Sevilla kostet es nur vier – aber hauptsächlich, weil es innen genauso hässlich aussah wie von aussen!
Apropos Bettler, vor Jahren in Barcelona sprach uns ein junger Deutscher an und versuchte uns zu überzeugen, ihm ein paar Euro zu spendieren, damit er seiner Lebensphilosophie, unbeschwert und ohne eigene Finanzen die Welt zu bereisen, huldigen könne. Den, so sind wir überzeugt, haben wir in Alicante wieder getroffen. Er hat dazu gelernt, mit Stadtplan bewaffnete, orientierungslos um sich blickende Touristen schickt er in die richtige Richtung – uns auch – wir haben uns höflich bedankt, ihm aber wieder nichts gegeben. Er hat uns nicht wieder erkannt, glaube ich!


Nach wenigen Tagen in Spanien haben wir unsere Nahrungsaufnahmegewohnheiten total umgestellt. Frühstück gibt es in den meisten Hotels ohnehin nur mit saftigem Aufpreis, also laufen wir morgens los in die nächste Bar, das nächste Café und bestellen, ganz spanisch, das Frühstück der Einheimischen: Tostadas con tomate, café con leche y zuma de naranja! So lecker!!! Das Baguette halbiert, getoastet, wird mit Olivenöl getränkt, mit fein gehäckselten Tomaten behäuft, gesalzen und gepfeffert – einmalig! … und wenn es den Orangensaft auch in Deutschland gäbe, ich tränke ihn auch hier täglich mehrmals.
Mittags – so gegen 15 Uhr – essen wir hin und wieder fein 


und abends, zwischen 22 und 23 Uhr gibt es Tapas – und immer wieder bleiben wir beim Iberico Bellota, manchmal gran reserva, hängen.


Es kostet, aber dieser luftgetrocknete Schinken ist wirklich das Feinste was Schwein zu bieten hat! Spät essen ist eher eine soziale Notwendigkeit als gesundheitlich sinnvoll – so ganz allein dasitzen macht einfach keine Freude!


Es sind super schöne Tage im April in Andalusien, wir lassen uns treiben, von keinem Termin gegeisselt, es ist nicht immer warm, aber sonnig und wir kommen gut erholt und gesund zurück. Das kilometerweise Latschen durch die Städte, hier 'ne Kathedrale, 


dort ein Café oder Restaurant macht fit. Oft sind wir zehn Stunden und mehr pro Tag auf den Beinen und sitzen maximal 2 aufm Stuhl. An guten Tagen zu Hause ist das im 'besten' Fall andersrum!

Und zu guter Letzt noch etwas Unspanisches: Gibraltar, die letzte Bastion des britischen Empire im Süden Europas! 1703 war das eventuell strategisch sinnvoll und weltpolitisch nachvollziehbar, das Empire bedroht von fremden Mächten, aber heute? Der EU-interne Streit um den Felsen zwischen zwei Mitgliedsstaaten erscheint als Farce. Was wird hier verteidigt? Sollen etwa die Flüchtlingsströme aus Afrika vor dem Einfall in Grossbritannien gehindert werden? Nein, diese Aufgabe hat Calais übernommen! Und sowieso, an der Südspitze des Felsens, dem sogenannten Point of Europe steht doch als Willkommensgeste schon eine Moschee, da sind sich die Briten mit Angela also einig!

 
Wieder einmal verstehen wir die Engländer nicht, wieso halten sie an Gibraltar fest, der Affenfelsen ist zwar monumental und exotisch, die Ortschaft eher englisch hässlich, wie andere Seebäder auf der Hauptinsel auch, und dann steht man mit Auto auch noch im Stau, um die Grenze überqueren zu können. Da fahren wir nicht mehr hin, auch wenn das Benzin um einiges billiger ist als in Spanien!

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