Andalucia
Altersgerecht
fliegen wir an einem kalten Nachmittag in den sonnigen und manchmal
auch warmen Süden Spaniens, statt die 2.300 km Anfahrt auch schon im
Auto zu verbringen.
Das
4*-Hotel für EUR 49 pro Nacht, ohne Frühstück, aber mit zwei
grossen Betten, gehört zu einer amerikanischen Kette und ist nicht
leicht zu finden.
Ungeschickt
hatten wir die grosse Bucht auf der anderen Seite des quirligen
Urlaubsortes ausgesucht – vom Flughafen aus fahren wir 25 km
durch den Stadtkern, immerhin meist mit Meerblick. Einen solchen
hatte das Hotel nicht aufzuweisen, es liegt nur 400 m vom Strand
entfernt, aber inmitten der unzähligen Betonkästen, nicht etwa
Hotels, sondern Apartmentblocks, die keinerlei Weitsicht zulassen.
Wahrscheinlich
um den Verkehr zur Haupturlaubszeit übersichtlicher zu gestalten,
werden die riesigen Monsterbauten ausschliesslich von Einbahnstrassen
durchzogen, was dazu führt, dass man das Hotel links unmittelbar vor
sich sieht, aber rechts abbiegen muss und keine Ahnung hat, wie man
da jemals wieder hinkommen soll. Es ist schon dunkel, die
Ausschilderungen nicht mehr zu lesen und das Hotel wirklich nicht
leicht zu finden!
Gern
verlassen wir Alicante am folgenden Morgen und machen uns auf die
Suche nach lauschigeren Orten. An den Costas, del Sol, Blanca oder
wie sie sonst so heissen im südlichen Spanien ist das schwer. Die
gesamte Küste ist zugebaut, Beton wohin man sieht. Hügel mit
Meerblick, überzogen von Terrassenbauten, hübsch hässlich. Wer
wohnt da bloss? Oder macht man dort Urlaub? Fünf Kilometer vom
Wasser entfernt, mit mindestens einer vierspurigen Schnellstrasse
oder sogar Autobahn dazwischen? Kauft man diese Wohnungen freiwillig?
Unvorstellbar!
Immer
wieder versuchen wir ans Meer vorzudringen, um irgendwo in der Sonne
einen Café zu trinken. Keine gewachsenen, gemütlichen Orte, aber
mit Strand. Café? Fehlanzeige! Alles leer, keiner da, die
Betonblöcke sind verwaist, die Touristen kommen später. Erst nach
zwei Wochen finden wir das idyllische Restaurant direkt am Strand!
Murcia
soll schön sein, Altstadt, Kathedrale, Universität, Plazas,
schön eben – es stimmt! Wir verirren uns im
Einbahnstrassengewusel und sind in den engen Gassen nicht zum letzten
Mal froh, das kleine Auto gebucht zu haben! Entnervt fahren wir in
eine Tiefgarage und machen uns zu Fuss auf die Suche nach einem
Hotel, bleiben aber natürlich in einem ausgezeichneten Restaurant
neben der Kathedrale hängen und lassen es uns erst einmal gut gehen.
Die
Stadt strahlt eine leichte Unruhe aus, die vorbei eilenden
Menschen stehen unter einer positiven Spannung – Ereignisse
scheinen sich anzukündigen. Wir können nicht wissen, dass eine
Woche nach Ostern das Ende der Fastenzeit ebenfalls karnevalmässig
gefeiert werden muss! Gegen Abend stehen plötzlich überall
Absperrungen, rechts und links der Feiermeile werden Stühle
aufgebaut, bunt gekleidete Männer und Frauen ziehen an uns vorbei,
Gruppen formieren sich vor der Kathedrale.
Riesige Gefährte mit
Lautsprecheranlagen bringen sich Position, leicht bekleidete
Damenriegen stülpen sich Federboagebilde über den Kopf,
schminken sich gegenseitig und versuchen sich irgendwie warm zu
halten, es ist kalt abends, auch in Andalusien im April.
Nicht zu
vergleichen mit Rio, Basel oder Köln, aber die Akteure geben sich
Mühe.
Kurz
nach Anbruch der Dunkelheit beginnt der Spass. Jetzt wird es laut –
die Trommler schlagen richtig zu - und immer voller, eine
Formation nach der anderen zieht vorbei. Die japanische Brassband
macht richtig Eindruck! Ist das eine echt brasilianische Truppe? Wir
müssten auch tanzen, um warm zu bleiben, allein, es fehlt an Platz.
Durchgefroren
fliehen wir in eine Kneipe. Mist, hier gibt es nur englisches Bier!
Egal, Hauptsache warm. Um Mitternacht ist alles vorbei, kein Lärm
mehr, die Strassen wie leergefegt, die Stühle bei Seite geräumt –
wir erfahren, heute am Freitag, das war nur der Anfang, morgen,
Samstag, geht es richtig los, die ganze Nacht und so. Schade,
da sind wir nicht mehr da!
In
Spanien klappt es wohl nicht so mit der mediterranen Diät, die
mir meine Kardiologin so warm ans Herz gelegt hat. Sonntag in
Caravaca, ein kleiner Ort mit einem Hügel über der Stadt, auf dem
ein altes Kloster mit einer prachtvollen Kirche steht. Gemeinsam mit
der Feiergemeinde warten wir auf die Brautleute. So viel Pracht sieht
man selten! Die meist fülligen Damen sind aufgebrezelt, die reine
Wonne strahlt aus ihren Gesichtern – und dann erst die Braut, sie
schlägt alle anderen – sie ist sooo schön! Der Papa strahlt
auch, ist er etwa froh, dass er sie los ist?
Unten in
der Stadt dann die böse Überraschung – ein Knöllchen
klebt an der Windschutzscheibe! Wohl dem, der Spanisch kann. Wir
erkennen anulacion – was muss man tun? Ein Wort ergibt das
nächste und schon kommt leichte Hoffnung auf, die von zwei reizenden
jungen Damen in fundamentalem Englisch, unterstützt durch heftiges
Kopfnicken und vielen si, si, si, auf meine Fragen, bestätigt wird.
Schnell kaufen wir beim Chinesen gegenüber eine grosse Flasche
Mineralwasser für einen Euro, um an das nötige Kleingeld zu kommen,
gehen zum Parkautomaten, kaufen ein Ticket, legen es und das
Knöllchen in den winzigen Umschlag, der netterweise mitgeliefert
worden war und schieben diesen durch den noch winzigeren Schlitz am
Parkautomaten. Perfekt, könnte das bei uns nicht auch so
unkompliziert gelöst werden?
Die
Chinesenläden gewinnen wir lieb. Wir kennen sie schon aus Italien.
Alles super billig, immer geöffnet und sehr freundlich lächelnd,
besonders wenn man beim Eintreten ni hao! sagt, sich mit xiè
xiè! bedankt und mit zia jian! verabschiedet!
Den
Nachmittag verbringen wir im Auto. Mir haben es grüne Strassen
angetan und von Puebla de Don Fadrique kurven wir – im wahrsten
Sinne des Wortes – bergauf und bergab die 80 km auf der A 317 nach
Hornos. Endlos schön, stundenlang und ein wenig anstrengend –
aber es lohnt sich! Wir überqueren die Sierra de la Sagra und die
Sierra de Segura, über 1.600 m hohe Pässe, vorbei an 2.381 m hohen
Bergen - eine traumhafte kleine, z. T. enge, unübersichtliche
Strasse, sehr gut ausgebaut und sehr, sehr kurvenreich! In
Hornos dann leider nur eine Pension mit einem Stern und weil es doch
sehr nach Matrazenlager und WC übern Flur aussieht, fahren wir
weiter die grüne Strasse am Stausee entlang und finden das Hotel in
der Einöde, direkt am See und mit Blick auf den 2000er gegenüber,
die Suite mit zwei Schlafzimmern für EUR 71 inkl. Frühstück.
Kaum aus
den Bergen raus, empfangen uns hinter Cazorla die Olivenhaine.
Auf sanften Hügeln über 100 km bis Cordoba – nur Olivenbäume. Da
kann man von Monokultur sprechen – fast wie die unendlichen
Plantagen mit Palmen in Malaysia und Indonesien – sieht erst
faszinierend und irgendwann nur noch endlos (bl-) öd aus.
Gott sei
Dank, Regen, nach einer Woche hatten wir schon leichte
Entzugserscheinungen! Vor und in Cordoba giesst es 50 km lang
wie aus Kübeln. In der Stadt retten uns zwischen Hotel und Mezquita
erst ein Restaurant und dann der Tourischirm für 8 EUR, der am
Nachmittag nach zweimaligem Auf- und Zumachen bereits die erste
Strebe hängen lässt und entsprechend traurig aussieht.
Die
Mezquita ist für uns eines der wunderbarsten Gebäude, die
wir je gesehen haben – auch beim zweiten Besuch sind wir mehr
als beeindruckt – hier kann man ehrfurchtsvoll verharren. Um
so grauenvoller die Kathedrale, die die erzkatholischen Spanier,
nach der Vertreibung der Mauren, mitten in dieses orientalische
Baukunstwerk hinein geschustert haben. Ihr eigener Kaiser Karl V.
meinte damals: „Ihr habt etwas Einmaliges zerstört, um etwas
Gewöhnliches zu bauen!“ Wir stimmen ihm vollumfänglich zu.
Das plötzlich aus den grossartigen Säulen völlig sinnlos
emporschiessende Monstrum hat etwas Wollüstiges, aber so ist sie
eben, die Katholische Kirche, da sind wir uns mit unserem alten
Freund Toni Wohler einig.
Wenn
Spanien einen Schönheitswettbewerb für die schönste und einen für
die spanischste Stadt ausschreiben würde, Sevilla würde sie
zweifelsohne beide gewinnen,
sagt unser Michelin-Reiseführer – richtig! Zum zweiten Mal
sind wir begeistert, es stimmt einfach alles.
Granada
dagegen enttäuschte! Vor ein paar Jahren sassen wir am ersten
Tag noch in der Sonne und genossen den Café, am folgenden Morgen
lagen auf der Alhambra 10 cm nasser Schnee, der die Schuhe aufweichte
und uns frösteln liess. An den Bushaltestellen standen Menschen mit
Skiern Schlange, um auf die, nur ein paar km entfernte, Sierra Nevada
zu fahren – es war allerdings Ende Januar! Auch diesmal, im April,
machte die „Sierra Nevada“ ihrem Namen alle Ehre, die „Bergkette
war beschneit“!
Die
Stadt ist stellenweise wunderschön, insbesondere die Alhambra.
Aber die engen Gassen der Altstadt mit Kneipen und Restaurants müssen
den Vergleich mit denen in Sevilla und Malaga und sogar Jerez und
Cadiz, scheuen.
Die
Kathedrale ist schon von aussen einfach nur hässlich, die Plazas
sind klein und unspektakulär. Was einem überall passieren kann,
passierte in Granada: aus einem Rucksack wurde das Portemonnaie mit
Geld, aber Gott sei Dank, ohne Karten und Papiere, gestohlen. Ich
hege den Verdacht, das liegt nur daran, weil wir den, rechts und
links neben dem Eingang jeder Kathedrale, forsch bettelnden
Frauen, die, in Spanien, wie in Italien, alle aussehen, als kämen
sie aus Rumänien, wieder nichts gegeben hatten.
… und
dann sind wir, nachdem wir schon vor dem Ticketoffice im Inneren des
Gebäudes standen, wieder umgekehrt, auch, weil wir die fünf EUR
Eintritt anmassend fanden – in Sevilla kostet es nur vier – aber
hauptsächlich, weil es innen genauso hässlich aussah wie von
aussen!
Apropos
Bettler, vor Jahren in Barcelona sprach uns ein junger Deutscher
an und versuchte uns zu überzeugen, ihm ein paar Euro zu spendieren,
damit er seiner Lebensphilosophie, unbeschwert und ohne eigene
Finanzen die Welt zu bereisen, huldigen könne. Den, so sind wir
überzeugt, haben wir in Alicante wieder getroffen. Er hat dazu
gelernt, mit Stadtplan bewaffnete, orientierungslos um sich blickende
Touristen schickt er in die richtige Richtung – uns auch – wir
haben uns höflich bedankt, ihm aber wieder nichts gegeben. Er hat
uns nicht wieder erkannt, glaube ich!
Nach
wenigen Tagen in Spanien haben wir unsere
Nahrungsaufnahmegewohnheiten total umgestellt. Frühstück
gibt es in den meisten Hotels ohnehin nur mit saftigem Aufpreis, also
laufen wir morgens los in die nächste Bar, das nächste Café und
bestellen, ganz spanisch, das Frühstück der Einheimischen: Tostadas
con tomate, café con leche y zuma de naranja! So lecker!!! Das
Baguette halbiert, getoastet, wird mit Olivenöl getränkt, mit fein
gehäckselten Tomaten behäuft, gesalzen und gepfeffert – einmalig!
… und wenn es den Orangensaft auch in Deutschland gäbe, ich tränke
ihn auch hier täglich mehrmals.
Mittags
– so gegen 15 Uhr – essen wir hin und wieder fein
und abends,
zwischen 22 und 23 Uhr gibt es Tapas – und immer wieder bleiben wir
beim Iberico Bellota, manchmal gran reserva, hängen.
Es
kostet, aber dieser luftgetrocknete Schinken ist wirklich das
Feinste was Schwein zu bieten hat! Spät essen ist eher eine
soziale Notwendigkeit als gesundheitlich sinnvoll – so ganz allein
dasitzen macht einfach keine Freude!
Es sind
super schöne Tage im April in Andalusien, wir lassen uns treiben,
von keinem Termin gegeisselt, es ist nicht immer warm, aber sonnig
und wir kommen gut erholt und gesund zurück. Das kilometerweise
Latschen durch die Städte, hier 'ne Kathedrale,
dort ein Café
oder Restaurant macht fit. Oft sind wir zehn Stunden und mehr
pro Tag auf den Beinen und sitzen maximal 2 aufm Stuhl. An guten
Tagen zu Hause ist das im 'besten' Fall andersrum!
Und zu
guter Letzt noch etwas Unspanisches: Gibraltar, die letzte Bastion
des britischen Empire im Süden Europas! 1703 war das eventuell
strategisch sinnvoll und weltpolitisch nachvollziehbar, das Empire
bedroht von fremden Mächten, aber heute? Der EU-interne Streit um
den Felsen zwischen zwei Mitgliedsstaaten erscheint als Farce. Was
wird hier verteidigt? Sollen etwa die Flüchtlingsströme aus Afrika
vor dem Einfall in Grossbritannien gehindert werden? Nein, diese
Aufgabe hat Calais übernommen! Und sowieso, an der Südspitze des
Felsens, dem sogenannten Point of Europe steht doch als
Willkommensgeste schon eine Moschee, da
sind sich die Briten mit Angela also einig!
Wieder
einmal verstehen wir die Engländer nicht, wieso halten sie an
Gibraltar fest, der Affenfelsen ist zwar monumental und exotisch,
die Ortschaft eher englisch hässlich, wie andere Seebäder auf
der Hauptinsel auch, und dann steht man mit Auto auch noch im Stau,
um die Grenze überqueren zu können. Da fahren wir nicht mehr hin,
auch wenn das Benzin um einiges billiger ist als in Spanien!
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