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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Donnerstag, 5. Februar 2015

Prag in Tschechien und Breslau und Liegnitz in Polen

Auch mal schön! Nicht so exotisch, wie unsere Ausflüge in andere Erdteile, dafür fast vor der Haustür, ohne krampffördernden Langstreckenflug erreichbar.

Prag über Ostern ist nicht unbedingt sinnvoll für frei(nicht)schaffende Pensionäre – aber auch wir wollen uns mal mit den Massen tummeln. Burg, Karlsbrücke und Wenzelsplatz wären langweilig ohne den Rest der Welt. 

Volle Restaurants und Bierkneipen sind leer nicht gemütlich – Pils schmeckt besser in Gesellschaft und selbst Kathedrale und Palast wollen mit Untertanen bevölkert sein, sonst fühlen sich Kardinal und König einsam. 

Wir geniessen Kulinarisches und Obskuritäten wie die John-Lennon-Mauer, eine Pilgerstätte der Fans.

Alles Weitere entnehmt bitte den Reiseführern.

Der Abstecher nach Polen ist eine Reise in meine familäre Vergangenheit. Meine Eltern stammen aus Schlesien, Papa aus der schlesischen Hauptstadt Breslau (heute Wrozlaw), 

Mama aus Liegnitz (heute Legnica). Beide wollten nach dem Krieg partout nicht mehr zurück in ihre geliebte Heimat, nicht einmal auf Besuch. Sie wollten es so in Erinnerung behalten wie ... und haben es somit verpasst, mir Heimatliches näher zu bringen. Wie schön wäre es gewesen, wenn sie mir (ihre) Geschichte persönlich vermittelt hätten. So krame ich verzweifelt in unvollständigen Erinnerungen, halben Geschichten und einzelnen Worten, die ich seit über sechzig Jahren mit mir herum schleppe.

Mein Grossvater Reinhold Jung heiratete in zartem Alter von über vierzig Jahren, glatzköpfig und wirtschaftlich äusserst erfolgreich, meine damals neunzehnjährige Grossmutter Elfriede Olafske, auch nicht von schlechten Eltern. Eine gute Partie, wie man so sagt oder etwa doch eine arrangierte Heirat? Genaueres ist nicht überliefert.
Reinhold liess sich nicht lumpen und baute für Elfriede und die nachfolgenden drei Kinder (mein Vater Friedrich-Wilhelm war der Nachzügler) eine herrschaftliche Villa in Lehrbeutel, auf deren Grundstück (2 ½ Morgen Land) im Winter Wasser auf die Wiese gespritzt wurde, damit die Kinder auf dem Gefrorenen Schlittschuh laufen konnten, wie Papa begeistert zu erzählen wusste. Ausser der fünfköpfigen Stammfamilie beherbergte das Haus noch einen Gärtner, den Chauffeur, die Köchin, das Zimmer- und das Kindermädchen und meist auch die Tanten Käth'l und Hert'l, etwas ältere, unverheiratete späte Mädchen, Cousinen meines Vaters – es war also eine grössere Villa, nach der wir in Lehrbeutel ausschau halten wollten.
Am ersten Nachmittag wandern wir zu dem vornehmen Viertel ausserhalb der Innenstadt, nachdem wir am historischen Ring, in einem Andenkenladen im Breslauer Rathaus, den Nachdruck eines Stadtplans von 1937 gefunden haben – 'in den Grenzen von 1937', denke ich noch, mit leichtem Unbehagen! 

Lehrbeutel, war nicht nur der Name des Ortsteils, sondern auch eine Strasse. Wir finden beides, haben aber keine Ahnung, wo das Haus meiner Ahnen sein könnte. Wir suchen nach einem grossen Haus (ich habe nur eine vage Einnerung an ein Foto), aber das damals neu entstandenen Viertel, war schon in bemerkenswerter Einstiligkeit erbaut worden. Viele der Häuser sehen prächtig aus, müssten aber dringend renoviert werden. Von aussen ist zu sehen, dass in den grossen Kästen jeweils mehrere Familien wohnen. Aber, das Viertel gefällt uns.

Der zweite Weg am nächsten Morgen, führt in eine Dependance des Rathauses, das Einwohnermeldeamt. Und super, dort gibt es speziell eine Abteilung für Suchende wie uns. Wir fragen nach der Geburtsurkunde meines Vater und meines früh verstorbenen Bruders und der Heiratsurkunde meiner Eltern. Eine wirklich hervorragend Deutsch sprechende, freundliche Polin macht uns Hoffnung auf die Dokumente und bittet uns, am Nachmittag wieder vorbeizukommen. Handelskammerdaten und Telefonbücher könne man in einem Archiv, gar nicht weit entfernt, auf Mikrofilm anschauen. Wir machen uns auf den Weg und werden fündig. Eintragungen der Familie, des Unternehmens, meiner Grosseltern, meiner Mutter, meines Vater, vor und nach der Heirat. Jetzt ist der Rest ein Kinderspiel, die Hausnummern stimmen noch, nur die Strassen sind umbenannt und wir haben den alten Stadtplan. Ich werde ein wenig wehmütig, als wir feststellen, dass das Haus meiner Familie in neuem Glanz erstrahlt, wunderschön renoviert ist es das Schmuckstück Lehrbeutels.

Breslau gefällt uns, viele historisch wichtige Gebäude sind wieder hergestellt, die alten Gebäude am Ring und das Rathaus sind sehenswert. Schaut man hinter die Kulissen, dann sieht es nicht immer so positiv aus. Viele Häuser halten hinten nicht, was die Fassaden versprechen. Trozdem, die Polen können stolz sein auf das Erreichte. Es gibt nur noch einen Kolonialwarenhandel am Ring und die polnische Inhaberin kann mir nicht sagen, ob das der Laden ist, in dem mein Vater vor dem Krieg seine Lehre zum Kaufmannsgehilfen absolviert hat, sie betreibt ihn erst seit 1980.

Liegnitz, nur 60 km entfernt, strahlt ebenfalls im Glanz der renovierten Gebäude. Der Weg ins Rathaus ist trotz der freundlichen Hilfe eines jungen, deutsch sprechenden Paares ein Enttäuschung. Alle Geburts-, Einwohnermelde- und Heiratsregister der Stadt und der umliegenden Landkreise sind Ende des Krieges zerstört worden. Schade!

Auf dem Weg gen Norden kommen wir an der überdimensionalen Jesusstatue vorbei, die vor ein paar Jahren von der katholischen Kirche Polens auf die grüne Wiese gesetzt wurde. Gefühlte 25 m hoch, imposant und ein wenig (furcht?)erregend, wie er da so mächtig übers platte Land und weit über die Grenze ins ungläubige Deutschland schaut und gesehen werden kann. Ein Pilgerort der neueren Art, nicht schön, aber selten – hübsch hässlich vielleicht? Uns fehlt dafür einfach der richtige Sinn.

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