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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Mandalay, Bagan, Yenangyaung und Yangon, Myanmar

Wie heisst das Land? Myanmar (neu), Burma (alt und englisch) oder Birma (alt und deutsch? oder francophil - Birmanie?)? Ist es Rangoon, wie bei George Orwell in Burmese Days oder Rangun (D) oder Yangon (neu), ist es Bagan (neu) oder Pagan (alt)? Und wer kann sich Namen wie Yenangyaung, Ayeyarwaddy oder Aung San Suu Kyi merken, und erinnern wie sie geschrieben werden.

Die Visa waren die größte Hürde. Als wir nach Singapur flogen wussten wir noch nicht, ob, wann genau und wie? Myanmar hat eine Botschaft in Singapur. Man stellt einen Antrag im Internet für die Beantragung des Visums, erhält eine Nummer und eine Zeit genannt, darf das Formular ausdrucken und ausfüllen, um dann zwei Tage später vor Ort zu erfahren, dass dort nur Singapurianer und die, die dort eine Daueraufenthaltsgenehmigung haben, ein Visum erhalten. Die junge Burmesin hinter dem Schalter schaute uns mit gewinnendem Lächeln an: „Isn´t there a Myanmar Embassy in your country?“ Ja, aber dort ist es auch nicht so einfach! Bis zu acht Wochen Wartezeit muss man vor und während der Hauptsaison, ab November, einkalkulieren. Pech, wenn am Abreisetag der Pass noch in der Botschaft Myanmars in Berlin liegt.
Bangkok bietet Rettung. Zwei Übernachtungen in Thailand und schon fliegen wir nach Mandalay. Ein super Flughafen, mit Hilfe der Italiener erbaut, und da unseres das einzige Flugzeug weit und breit ist, sind wir innerhalb von wenigen Minuten durch die Passkontrolle und schauen uns nach einem Geldautomaten um. Die sind rar im noch jungen Urlaubsland, ergo schleppt man Massen von Bargeld mit sich herum. 300.000 Kyats (gesprochen Chat = EUR 240) in nagelneuen 5.000er Noten, sind ein ansehnlicher Batzen. Nagelneu und ungefaltet müssen auch die US Dollarnoten sein, wenn man sie tauschen oder damit bezahlen will. US Dollar fungieren als Ersatzwährung, praktisch, will man in entlegeneren Gebieten nicht haufenweise Kohle mit sich umherschleppen. Selbst die besseren Hotels akzeptieren nicht immer Kreditkarten. Frische, saubere, ungeknickte Dollar sind also sinnvoll.


Wer glaubt, nur in Thailand gäbe es Pagoden und Tempel, der war noch nicht in Myanmar. Wer glaubt, sein Karma verbessern zu müssen und ein besseres Leben auf der nächsten Runde anstrebt, baut eine Pagode, wird Mönch, spendet Geld oder Lebensmittel für Mönche und Klöster oder kauft einfach ein paar hachdünne Goldfolien und klebt sie auf den nächsten Buddha. Tonnenweise Gold haben sie neulich von den Buddhas in Myanmar gekratzt – keine Ahnung was damit passiert ist. Der berühmte Buddha in Mandalay trägt die Last noch auf seinen Hüften. Fünfzehn Zentimeter misst die Schicht auf seiner Taille. Frauen dürfen ihm nicht zu nahe kommen, sie sitzen mit den Kindern in sicherem Abstand.


Männer klettern auf den schmalen Absatz um den Buddha herum. Sie kleben die Goldfolie auf Buddhas Bauch und riskieren dabei, von den anderen Spendern zwei Meter in die Tiefe geschubst zu werden. Es ist Sonntag und sehr voll.
Bevor wir in die Nähe des Buddhas im Zentrum des Tempels kommen, folgen wir Horden von Besuchern, die sich durch lange Gänge drängeln, rechts und links Stände mit Souvenirs. Wir denken oft an Jesus, wie er die Händler aus dem Tempel in Jerusalem vertrieb – so weit nach Osten ist er nicht gekommen.


Ich bitte um Verzeihung, aber Buddhastatuen sind nicht so mein Geschmack, ob goldig, angemalt, sitzend, stehend oder liegend. Wir sehen viele mit bunten Stoffen um die nackten Schultern (vielleicht wegen der so genannten kalten Jahreszeit?). Die Stoffe gefallen mir besser als die Statuen selbst.

Wir können uns nicht entschliessen, früh aufzustehen und das Frühstück zu verpassen, deshalb verpassen wir den Sonnenaufgang an der U Bein Bridge, der längsten Teakbrücke der Welt und die Mönche, die morgens über die Brücke laufen, eine Szene, die millionenfach fotografiert und in jedem Reiseführer abgebildet wird.


Zu spät kommen hat am Sonntag den Vorteil, dass die Touristen weg und dafür hauptsächlich Einheimische dort sind – grossartig und sehenswert. Familien, junge Mädchen, junge Männer, verliebte Paare – sie alle finden uns so exotisch wie wir sie. Mingalaba rechts, Mingalaba links, wir kommen nur langsam voran, fröhlich lächelnd. Die Burmesen sind das freundlichste und sanfteste Volk, das wir je erlebt haben. Langsam laufen ist sicherer, das Wasser ist ca. acht Meter unter uns, die Brücke höchstens drei Meter breit, ohne Begrenzung rechts und links. Die Planken aus Teak sind keinesfalls eben, sondern uralt und dazwischen klaffen Lücken, notdürftig mit Brettern übernagelt und deshalb ein paar Zentimeter höher.


Die Mönche sind wahrscheinlich alle in dem Kloster neben der Brücke. Tausende Touristen schauen eintausendzweihundert Mönchen, meist Kinder oder junge Männer, zu, wie sie ihr Essen empfangen und sich zu Tisch begeben. Wir verstehen es nicht, was tun wir hier?
Wir sprechen mit Burmesen, die Mönche als Parasiten bezeichnen. Es sind oft die Ärmsten der Armen, die dazu gedrängt werden zu spenden. Während des Lichtfestes, Vollmond Anfang November, sind wir bei Eric im Lei Thar Gone Guesthouse (siehe vorherigen Blog). Es ist schwer, ein Auge zu zu tun. Permanent dröhnt laute Musik aus überdrehten Lautsprechern. Gesang, Komödien und Spassmacher aller Art verunmöglichen jegliche Nachtruhe bis zum Sonnenaufgang. Anfangs wähnen wir die Lärmquelle in unmittelbarer Nähe – Fehler, der Tempel ist auf dem Hügel neben uns. Die Lautsprecher leisten Enormes. In schlaflosen Nächten sehen wir überall Licht in den Dörfern unter uns. Die ganze Nacht hindurch strömen Leute in die Tempel der nahen Stadt. An allen Tagen dieser festlichen Woche geben die Tempel per LAUTsprecher bekannt, wer was gespendet hat, um den anderen ein schlechtes Gewissen einzureden. Zusätzliche Motivation zu spenden, bieten Lotterielose, die an jedem Tempel verkauft werden.
Trotz dieser abfälligen Bemerkungen, ist es faszinierend, diese Hingebung zu erleben. War es nicht der südamerikanische Papst, der sagte: „Nicht der Glaube muss sich ändern, nur die Kirche!“


Einen der schönsten Tage verbringen wir an Bord eines alten Dampfers auf dem Ayeryarwaddy, der uns in zehn Stunden flussabwärts von Mandalay nach Bagan bringt. Die 101 oder mehr Pagoden der Sagaing Hügel in der Morgensonne und das ganze Landleben Myanmars ziehen an uns vorbei: Bauern bei der Feldarbeit, Ochsen vor dem Pflug, Fischerboote, Fähren, Lastkähne mit riesigen Baumstämmen (Teak?), Dörfer, kleine Städte, Frauen waschen ihre Wäsche im Fluss, Kinder tummeln sich im Wasser, Männer angeln. Wir sitzen gemütlich im Schatten. Der Fahrtwind gemischt mit Dieselabgasen sorgt für ein angenehmes Klima. Es ist friedvoll, ruhig und entspannend.


Das Hotel informiert uns: the steamer sails at 6:30, boarding at 6:00. Das Taxi kommt um 5:45. Wir fahren durch die fast menschenleere Stadt und durch dicke Staubwolken – Frauen fegen die Strassen. Myanmar ist sauber und ordentlich. Asienfahrer sollten hier ihre Reise beginnen, um nicht zu früh aufzugeben, geschockt von hygienischen Zuständen anderer Länder. Staub lässt sich nicht vermeiden, wenn die Regenzeit vorbei ist.


Es ist stockdunkel, wir sehen das Schiff kaum und wir sind eine Stunde zu früh. Um den Anleger boomt es. Frauen verkaufen frisches Obst und leider auch alle Arten von Süssigkeiten, Keksen, Chips und anderen Junk, sorgfältig verpackt in Plastik von internationalen Konzernen, die so, zu einem nicht zu unterschätzenden Anteil, zum wachsenden Plastikmüllproblem des Landes beitragen. Wir bringen unser Frühstück in Styropor verpackt aus dem Hotel mit und geniessen es, auf kleinen Plastikstühlen sitzend, auf dem schwach beleuchteten Anleger – früh aktive Mücken laben sich an uns.


Die Architektur der meisten Tempel (innen hohl) begeistert, noch mehr die der Pagoden (nicht begehbar, da nicht hohl!). Bagan und die 3.000 Kunstwerke muss man gesehen haben! Wir können uns mehrere Tage nicht satt sehen – wandernd, radelnd und auf dem Pferdewagen sitzend geniessen wir.


Ruhe und Erleuchtung finden wir im Thande Hotel in Old Bagan, nicht unterm Bodhibaum, sondern unter der grossen und schattenspendenden Akazie, direkt am Ufer des Ayeryarwaddy.


Wir fliegen mit Mandalay Air nach Yangon. Der Reiseführer bezeichnet alle Fluggesellschaften Myanmars als unsicher – Mandalay Air führt die Liste an! Wir überleben den 70 minütigen Flug in der uralten Turbopropmaschine. Mit so einer hatten Freund Dieter und ich 1965, während eines Fluges von Luton nach HH, schon einschlägige Erlebnisse. Über dem Kanal fiel ein Triebwerk aus, Dieter bemerkte stirnrunzelnd, der Pilot schalte andauernd – wir mussten nach Luton zurück. Der Flieger verschwand im Hangar, tauchte zwei Stunden wieder auf und dann ging's weiter.


Yangon hat sechs Millionen Einwohner. Bloss nie dort die Reise durch Myanmar beginnen! Die einzigartige Schwedagon Pagode auf dem Hügel nahe der Innenstadt, könnte die Faszination aller Schwesterpagoden, auch die der Schwezigon in Bagan schmälern. Der Anblick des 99 m hohen Monstrums, in der untergehenden Sonne und später angestrahlt von hunderten von Scheinwerfern, verschlägt uns den Atem – dies ist ohne Zweifel die Königin aller Pagoden. Wir ignorieren die unzähligen Tempel drumherum und erinnern uns nur an die mit den unzähligen Buddhastatuen in allen Grössenwir halten sie fälschlicherweise für Showrooms. Und an den, der lediglich ein Replikat eines Zahns des Erleuchteten enthält. Ähnliches gibt es bei uns doch auch, oder?


Die Stadt pulsiert. Die Märkte, indische und chinesische, platzen aus allen Nähten, ein wildes Gewusel von Händlern und Käufern, eng auf eng. Wir, die wir sterile Fisch- und Fleischereifachgeschäfte gewohnt sind, würden wohl zu Vegetariern werden, wenn wir hier wohnten, aber trotzdem auf diesen Märkten einkaufen.



Danke Myanmar für eine unvergessliche Reise, für die offene Freundlichkeit und die lachenden Gesichter. Wir wünschen uns eine langsame, nachhaltige Entwicklung für dieses Land. Möge es nicht den Versuchungen des Massentourismus und des schnellen Geldes erliegen. 

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