Mandalay,
Bagan, Yenangyaung und Yangon, Myanmar
Wie
heisst das Land? Myanmar (neu), Burma (alt und englisch) oder Birma
(alt und deutsch? oder francophil - Birmanie?)? Ist es Rangoon, wie
bei George Orwell in Burmese Days oder Rangun (D) oder Yangon (neu),
ist es Bagan (neu) oder Pagan (alt)? Und wer kann sich Namen wie
Yenangyaung, Ayeyarwaddy oder Aung San Suu Kyi merken, und erinnern
wie sie geschrieben werden.
Die
Visa waren die größte Hürde. Als wir nach Singapur flogen wussten
wir noch nicht, ob, wann genau und wie? Myanmar hat eine Botschaft in
Singapur. Man stellt einen Antrag im Internet für die Beantragung
des Visums, erhält eine Nummer und eine Zeit genannt, darf das
Formular ausdrucken und ausfüllen, um dann zwei Tage später vor Ort
zu erfahren, dass dort nur Singapurianer und die, die dort eine
Daueraufenthaltsgenehmigung haben, ein Visum erhalten. Die junge
Burmesin hinter dem Schalter schaute uns mit gewinnendem Lächeln an:
„Isn´t there a Myanmar Embassy in your country?“ Ja, aber dort
ist es auch nicht so einfach! Bis zu acht Wochen Wartezeit muss man
vor und während der Hauptsaison, ab November, einkalkulieren. Pech,
wenn am Abreisetag der Pass noch in der Botschaft Myanmars in Berlin
liegt.
Bangkok
bietet Rettung. Zwei Übernachtungen in Thailand und schon fliegen
wir nach Mandalay. Ein super Flughafen, mit Hilfe der Italiener
erbaut, und da unseres das einzige Flugzeug weit und breit ist, sind
wir innerhalb von wenigen Minuten durch die Passkontrolle und schauen
uns nach einem Geldautomaten um. Die sind rar im noch jungen
Urlaubsland, ergo schleppt man Massen von Bargeld mit sich herum.
300.000 Kyats (gesprochen Chat = EUR 240) in nagelneuen 5.000er
Noten, sind ein ansehnlicher Batzen. Nagelneu und ungefaltet müssen
auch die US Dollarnoten sein, wenn man sie tauschen oder damit
bezahlen will. US Dollar fungieren als Ersatzwährung, praktisch,
will man in entlegeneren Gebieten nicht haufenweise Kohle mit sich
umherschleppen. Selbst die besseren Hotels akzeptieren nicht immer
Kreditkarten. Frische, saubere, ungeknickte Dollar sind also
sinnvoll.
Wer
glaubt, nur in Thailand gäbe es Pagoden und Tempel, der war noch
nicht in Myanmar. Wer glaubt, sein Karma verbessern zu müssen und
ein besseres Leben auf der nächsten Runde anstrebt, baut eine
Pagode, wird Mönch, spendet Geld oder Lebensmittel für Mönche und
Klöster oder kauft einfach ein paar hachdünne Goldfolien und klebt
sie auf den nächsten Buddha. Tonnenweise Gold haben sie neulich von
den Buddhas in Myanmar gekratzt – keine Ahnung was damit passiert
ist. Der berühmte Buddha in Mandalay trägt die Last noch auf seinen
Hüften. Fünfzehn Zentimeter misst die Schicht auf seiner Taille.
Frauen dürfen ihm nicht zu nahe kommen, sie sitzen mit den Kindern
in sicherem Abstand.
Männer
klettern auf den schmalen Absatz um den Buddha herum. Sie kleben die
Goldfolie auf Buddhas Bauch und riskieren dabei, von den anderen
Spendern zwei Meter in die Tiefe geschubst zu werden. Es ist Sonntag
und sehr voll.
Bevor
wir in die Nähe des Buddhas im Zentrum des Tempels kommen, folgen
wir Horden von Besuchern, die sich durch lange Gänge drängeln,
rechts und links Stände mit Souvenirs. Wir denken oft an Jesus, wie
er die Händler aus dem Tempel in Jerusalem vertrieb – so weit nach
Osten ist er nicht gekommen.
Ich
bitte um Verzeihung, aber Buddhastatuen sind nicht so mein Geschmack,
ob goldig, angemalt, sitzend, stehend oder liegend. Wir sehen viele
mit bunten Stoffen um die nackten Schultern (vielleicht wegen der so
genannten kalten Jahreszeit?). Die Stoffe gefallen mir besser als die
Statuen selbst.
Wir
können uns nicht entschliessen, früh aufzustehen und das Frühstück
zu verpassen, deshalb verpassen wir den Sonnenaufgang an der U Bein
Bridge, der längsten Teakbrücke der Welt und die Mönche, die
morgens über die Brücke laufen, eine Szene, die millionenfach
fotografiert und in jedem Reiseführer abgebildet wird.
Zu
spät kommen hat am Sonntag den Vorteil, dass die Touristen weg und
dafür hauptsächlich Einheimische dort sind – grossartig und
sehenswert. Familien, junge Mädchen, junge Männer, verliebte Paare
– sie alle finden uns so exotisch wie wir sie. Mingalaba rechts,
Mingalaba links, wir kommen nur langsam voran, fröhlich lächelnd.
Die Burmesen sind das freundlichste und sanfteste Volk, das wir je
erlebt haben. Langsam laufen ist sicherer, das Wasser ist ca. acht
Meter unter uns, die Brücke höchstens drei Meter breit, ohne
Begrenzung rechts und links. Die Planken aus Teak sind keinesfalls
eben, sondern uralt und dazwischen klaffen Lücken, notdürftig mit
Brettern übernagelt und deshalb ein paar Zentimeter höher.
Die
Mönche sind wahrscheinlich alle in dem Kloster neben der Brücke.
Tausende Touristen schauen eintausendzweihundert Mönchen, meist
Kinder oder junge Männer, zu, wie sie ihr Essen empfangen und sich
zu Tisch begeben. Wir verstehen es nicht, was tun wir hier?
Wir
sprechen mit Burmesen, die Mönche als Parasiten bezeichnen. Es sind
oft die Ärmsten der Armen, die dazu gedrängt werden zu spenden.
Während des Lichtfestes, Vollmond Anfang November, sind wir bei Eric
im Lei Thar Gone Guesthouse (siehe vorherigen Blog). Es ist schwer,
ein Auge zu zu tun. Permanent dröhnt laute Musik aus überdrehten
Lautsprechern. Gesang, Komödien und Spassmacher aller Art
verunmöglichen jegliche Nachtruhe bis zum Sonnenaufgang. Anfangs
wähnen wir die Lärmquelle in unmittelbarer Nähe – Fehler, der
Tempel ist auf dem Hügel neben uns. Die Lautsprecher leisten
Enormes. In schlaflosen Nächten sehen wir überall Licht in den
Dörfern unter uns. Die ganze Nacht hindurch strömen Leute in die
Tempel der nahen Stadt. An allen Tagen dieser festlichen Woche geben
die Tempel per LAUTsprecher bekannt, wer was gespendet hat, um den
anderen ein schlechtes Gewissen einzureden. Zusätzliche Motivation
zu spenden, bieten Lotterielose, die an jedem Tempel verkauft werden.
Trotz
dieser abfälligen Bemerkungen, ist es faszinierend, diese Hingebung
zu erleben. War es nicht der südamerikanische Papst, der sagte:
„Nicht der Glaube muss sich ändern, nur die Kirche!“
Einen
der schönsten Tage verbringen wir an Bord eines alten Dampfers auf
dem Ayeryarwaddy, der uns in zehn Stunden flussabwärts von Mandalay
nach Bagan bringt. Die 101 oder mehr Pagoden der Sagaing Hügel in
der Morgensonne und das ganze Landleben Myanmars ziehen an uns
vorbei: Bauern bei der Feldarbeit, Ochsen vor dem Pflug,
Fischerboote, Fähren, Lastkähne mit riesigen Baumstämmen (Teak?),
Dörfer, kleine Städte, Frauen waschen ihre Wäsche im Fluss, Kinder
tummeln sich im Wasser, Männer angeln. Wir sitzen gemütlich im
Schatten. Der Fahrtwind gemischt mit Dieselabgasen sorgt für ein
angenehmes Klima. Es ist friedvoll, ruhig und entspannend.
Das
Hotel informiert uns: the steamer sails at 6:30, boarding at 6:00.
Das Taxi kommt um 5:45. Wir fahren durch die fast menschenleere Stadt
und durch dicke Staubwolken – Frauen fegen die Strassen. Myanmar
ist sauber und ordentlich. Asienfahrer sollten hier ihre Reise
beginnen, um nicht zu früh aufzugeben, geschockt von hygienischen
Zuständen anderer Länder. Staub lässt sich nicht vermeiden, wenn
die Regenzeit vorbei ist.
Es
ist stockdunkel, wir sehen das Schiff kaum und wir sind eine Stunde
zu früh. Um den Anleger boomt es. Frauen verkaufen frisches Obst und
leider auch alle Arten von Süssigkeiten, Keksen, Chips und anderen
Junk, sorgfältig verpackt in Plastik von internationalen Konzernen,
die so, zu einem nicht zu unterschätzenden Anteil, zum wachsenden
Plastikmüllproblem des Landes beitragen. Wir bringen unser Frühstück
in Styropor verpackt aus dem Hotel mit und geniessen es, auf kleinen
Plastikstühlen sitzend, auf dem schwach beleuchteten Anleger –
früh aktive Mücken laben sich an uns.
Die
Architektur der meisten Tempel (innen hohl) begeistert, noch mehr die
der Pagoden (nicht begehbar, da nicht hohl!). Bagan und die 3.000
Kunstwerke muss man gesehen haben! Wir können uns mehrere Tage nicht
satt sehen – wandernd, radelnd und auf dem Pferdewagen sitzend
geniessen wir.
Ruhe
und Erleuchtung finden wir im Thande Hotel in Old Bagan, nicht unterm
Bodhibaum, sondern unter der grossen und schattenspendenden Akazie,
direkt am Ufer des Ayeryarwaddy.
Wir
fliegen mit Mandalay Air nach Yangon. Der Reiseführer bezeichnet
alle Fluggesellschaften Myanmars als unsicher – Mandalay Air führt
die Liste an! Wir überleben den 70 minütigen Flug in der uralten
Turbopropmaschine. Mit so einer hatten Freund Dieter und ich 1965,
während eines Fluges von Luton nach HH, schon einschlägige
Erlebnisse. Über dem Kanal fiel ein Triebwerk aus, Dieter bemerkte
stirnrunzelnd, der Pilot schalte andauernd – wir mussten nach Luton
zurück. Der Flieger verschwand im Hangar, tauchte zwei Stunden
wieder auf und dann ging's weiter.
Yangon
hat sechs Millionen Einwohner. Bloss nie dort die Reise durch Myanmar
beginnen! Die einzigartige Schwedagon Pagode auf dem Hügel nahe der
Innenstadt, könnte die Faszination aller Schwesterpagoden, auch die
der Schwezigon in Bagan schmälern. Der Anblick des 99 m hohen
Monstrums, in der untergehenden Sonne und später angestrahlt von
hunderten von Scheinwerfern, verschlägt uns den Atem – dies ist
ohne Zweifel die Königin aller Pagoden. Wir ignorieren die
unzähligen Tempel drumherum und erinnern uns nur an die mit den
unzähligen Buddhastatuen in allen Grössen –
wir halten sie fälschlicherweise für Showrooms. Und an den,
der lediglich ein Replikat eines Zahns des Erleuchteten enthält.
Ähnliches gibt es bei uns doch auch, oder?
Die
Stadt pulsiert. Die Märkte, indische und chinesische, platzen aus
allen Nähten, ein wildes Gewusel von Händlern und Käufern, eng auf
eng. Wir, die wir sterile Fisch- und Fleischereifachgeschäfte
gewohnt sind, würden wohl zu Vegetariern werden, wenn wir hier
wohnten, aber trotzdem auf diesen Märkten einkaufen.
Danke
Myanmar für eine unvergessliche Reise, für die offene
Freundlichkeit und die lachenden Gesichter. Wir wünschen uns eine
langsame, nachhaltige Entwicklung für dieses Land. Möge es nicht
den Versuchungen des Massentourismus und des schnellen Geldes
erliegen.
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