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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Montag, 30. April 2012


Sooo historic …


Charleston und Savannah sollen die absoluten Highlights des Südens sein. Stimmt! … sie sind sehenswert. Wunderschöne Antebellum-Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert, richtige Stadtzentren, Einkaufsstrassen, Kinos, Jugendstilbauten


 – und Savavannah hat doch tatsächlich eine Buchhandlung! Die erste, die wir in fünf Wochen sehen – Hanne ist glücklich, denn hier verkaufen sie Margaret Mitchells „Gone with the Wind“ – Jugendträume erwachen! Scarlett O'Hara fand das spanische Moos, das wie Lametta von den uralten Eichen auf den Plätzen Savannahs herunterhängt, spooky – Hanne liebt es!


Mich begeistert die Information des Touristenbüros: It's legal to sip alcoholic beverages smaller than 16 ounces in historic Savannah streets and squares – an experience no true gourmet should miss!?!


There's a whole lot of shouting going on …
Endlich Gospel in der First African Baptist Church (1777) in Savannah!! Wieder werden wir mehrmals per Handschlag begrüsst: Where are you from? Germany? Welcome to our Worship. Die Kirche ist fast voll. Weshalb werden nur die Männer gebeten, nach vorn zu kommen? Wir stehen im Kreis und fassen uns an der Hand – jemand spricht das Gebet. Die Gemeinde wird aufgefordert sich zu begrüssen. Alle strömen durch die Reihen, schütteln sich die Hände und umarmen sich und uns und wir sie: Welcome! How are you doing? Glad you are here! Thanks for coming! Dann geht es los: Der Gesang ist beeindruckend, die Stimmung überwältigend! Einer beginnt, die anderen fallen ein. Begleitet von Klavier und Schlagzeug, singt und lacht die Gemeinde voller Inbrunst. Sie stehen auf, klatschen und bewegen sich im Rhythmus – keiner kann sich dem entziehen! Laut, leise, anschwellend, schneller und wieder langsam – wir vergessen wo wir sind. Neben uns gibt es noch weitere weisse Besucher – alle werden begrüsst: Where are the friends from Germany? Raise your hands! Beifall! Die Sprecher danken Gott dafür, dass sie heute morgen aufgestanden sind, dass es ihnen gut geht, sie Freude empfinden dürfen, usw. und bitten um Liebe, Frieden, … and to be saved. Zwischendurch wird gelacht, alle sind entspannt, man klatscht und ist fröhlich. Amen! Praise the Lord! Der Pastor fordert seine Gemeinde stimmgewaltig immer wieder auf, die wichtigen Stellen aus den Bibeltexten laut mitzusprechen, er selbst wiederholt seine Kernaussagen mehrmals in allen Tonlagen. Es geht vor allem um Nächstenliebe und die Aufgabe der Gläubigen, sich täglich in den Dienst der Gemeinde einzubringen, nicht nur sonntags. Zu oft (für uns) werden sie aufgefordert zu missionieren. Ganz nach unserem Gusto ist die Aussage, dass keiner von uns perfekt ist und dass es keine perfekte Kirche gibt. Should you find the perfect Church, don't join! You will spoil it! Schallendes Gelächter! Die Interpretation des Bibeltextes dauert wegen der Wiederholungen endlos – und schlimmer, anschliessend wird nicht mehr gesungen. Wir werden herzlich verabschiedet. Did you like it? It was great, thank you! Will you come back? Well, it's a long way from Germany!


Frustriert und glücklich!
Abends, 100 Meilen südlich und gerade wieder in Florida, landen wir in einem Hotel zum Abgewöhnen. Der Teppich ist voller grosser, dunkler Flecken, die Laundry, die wir heute unbedingt brauchen, stinkt und ist unglaublich verdreckt! Die Fast-Food-Buden rund um das Hotel sind grauenvoll. Frustriert fahren wir noch fünf Meilen, landen in einer Plaza (Ansammlung von Geschäften und Restaurants) und enden in einem Mexican Grill – nichts besonderes, aber die Mädels, die uns bedienen, machen uns innerhalb von Minuten fröhlich und das Essen ist gut!

What a Beach!
Stundenlang fahren wir an Floridas Ostküste parallel zum Atlantik – ein Haus am Meer neben dem anderen, nur Hotels sind dünn gesät! Nördlich von Daytona Beach finden wir in einem Time-Share-Resort, direkt am Wasser und spottbillig, ein schönes, kleines Zimmer. Rechts und links unendlicher Strand, so weit das Auge blicken kann. Wir geniessen vier Tage lang den riesigen Pool und mehrmals täglich das wahnsinnig grüne Meer. Morgens um acht sind wir mit den Pelikanen allein, sie sitzen da auf dem Wasser, einzeln und in Gruppen oder fliegen in Formation, nur Zentimeter über der Oberfläche, an uns vorbei. Erst Tage später liest Hanne im Internet, dass dieser Küstenabschnitt die meisten Haiattacken (210) der USA aufweist – bis ins knietiefe, grüne Wasser kommen die niedlichen Tierchen, die Pelikane hätten uns bestimmt gewarnt.


Uns attackieren andere! Zweimal werden wir aufgefordert, völlig unverbindlich, an einer Präsentation teilzunehmen. Man bietet Frühstück und ein Geschenk von $100, in Form eines Schecks, eines Restaurantgutscheins oder einer zusätzlichen Nacht im Resort. Unser persönlicher Berater Terry fragt uns aus und verspricht uns das Blaue vom Himmel:
  • Would you like to spent 80% less on your vacations??
  • Is vacation a luxury or a necessity? (The latter, because everything is so fantastic with them!)
Wir fühlen uns unglaublich dumm und unterfordert! Owners können weltweit an einem Programm teilnehmen, das ihnen ermöglicht, in 5Sternehotels zu 80% reduzierten Preisen zu übernachten, sollten die dort Stornierungen erhalten und dies an Terrys Organisation gemeldet haben!!! Ist das nicht grossartig? ... wir würden Hundertausende sparen, das müssten wir doch einsehen. Aber nur, wenn wir heute noch Anteile ihrer Condomiums kaufen! Fürs billigste Zimmer $10.000, für die neuen Apartments $29.900. Sie erkundigen sich, Deutsche und Schweizer können in den USA Grundeigentum erwerben, no problem. Nein, wir können nicht ein paar Tage überlegen, morgen gilt das Angebot nicht mehr. Nein, schriftliche Unterlagen können wir vor dem Kauf nicht mitnehmen, nur jetzt während des Gesprächs einsehen, er legt uns einen Prospekt vor, das sei Florida State Law – ausserdem, er habe uns doch alles erzählt. Terrys Chef sieht uns mitleidig an, wozu überlegen, wir könnten Hundertausende sparen! … immerhin, der Scheck ist unser! Wir werden mit süsssauren Blicken entlassen. What an experience!

Weshalb die geschwollenen Formulierungen für alles und jedes? The Mighty Eighth Air Force Museum and Memory Gardens – one of the world's most powerful experiences! Die gewöhnlichste Pizza in jeder Holzbude ist die Weltbeste, zumindest aber: The Best in Town oder hat Awards gewonnen. Wer lässt sich davon noch verführen? Alles was älter ist als fünf Minuten ist historic; jede Bootstour is an aquatic adventure that takes your breath away, it's magic and unforgettable; jeder Leuchtturm ist der älteste und höchste; jedes Hotel has been voted the best place to stay in, four years in a row, auch wenn es dort nur ein Hotel gibt! Thank you for ringing award winning Holiday Inn Express Fort Lauderdale. My name is Daisy, can I help you? Dieses Land erstickt in seinen Phrasen und Übertreibungen! Was machen die, wenn es tatsächlich einmal etwas Tolles gibt? Wer schaut noch hin – hört noch zu? Wir sollten es auch sein lassen!


Dagegen mögen wir den Spruch der Feuerwehr: If in doubt, get out! … oder den der Schlangenexperten: Green and yellow, kills a fellow! …und die Anhänger an allen Fön-Kabeln: WARN CHILDREN OF THE RISKS OF DEATH BY ELECTRIC SHOCK! DONT REMOVE THIS TAG! … oder die Gleichung auf unserer daily plastic coffee cup: Smart Roast Coffee + staying at this Hotel = dangerously high intellect. Use with caution!
oder die Aufschrift auf unserer Wasserflasche: Eco-Air-Bottle: Easy to handle shape offers the perfect combination of function and design, delivering one of the world's most environmentally friendly beverage containers. 30% less in plastic!!! Jetzt aber ist die Verschlusskappe so klein, deshalb: Warning: Cap is a small part and poses a CHOKING HAZARD, particularly for children. Was gibt es da noch zu sagen?


Zu denken geben die Fetzen zerschlissener LKW-Reifen, die alle paar hundert Meter am Strassenrand liegen – wieso so viele und warum überhaupt? … und die beim Abwasch sparenden US-Amerikaner: noch nie haben wir zum Frühstück etwas anderes bekommen als Plastikbesteck, Pappbecher und Styroporteller. Der Plastikmüllberg, den allein wir in sechs Wochen hinterlassen ist gigantisch, nichts wird recycelt, nichts getrennt.
und die vielen Dicken! 1996 haben wir in New York noch gezählt, wie viele von denen wir pro Tag sehen – Hanne meint heute sei es einfacher, die normal Gewichtigen zu zählen.

Angst macht, dass in Florida ein 12jähriger Junge als Erwachsener angeklagt wurde. Seit Wochen sitzt er in einem Gefängnis für Erwachsene, unter normalen Kriminellen. Er hat seinen kleinen Bruder zweimal so geschlagen, dass dieser es nicht überlebt hat. Bereits Wochen vorher hatte er ihm ein Bein gebrochen. Die Staatsanwältin ist der Überzeugung, es sei genug, man müsse jetzt mit aller Härte vorgehen! Die Bilder der Gerichtsverhandlung zeigen den Jungen in Anstaltskleidung und mit Handfesseln, die an seinen Gürtel gekettet sind.


Knusprig gebraten liegt das Filet des Red Snappers auf einem Bett aus Lemon Orzo, winzigen Nudeln in der Grösse eines Reiskorns. Drum herum kleine Designertomaten in drei Farben auf Linien von feinstem Pesto. Hanne Filetsteak ruht auf einem Trüffelrisotto, der Wein ist gut und die Aussicht grandios. Nach dem letzten Abend in New Orleans werden wir im „Citrus“ in Vero Beach zum zweiten Mal ohne die üblichen Floskeln bedient! Steve, schon etwas in die Jahre gekommen, betreut uns perfekt und verspricht zu warten, bis wir wieder vorbei kommen!
Für den nächsten USA Besuch packen wir das Steakpfeffer aus dem Blockhouse ein. Zu Hause einführen werden wir: die Blue-Cheese-Sauce für den Eisbergsalat – sorry Alex!

In Fort Lauderdale regnet es seit über 24 Stunden pausenlos. Riesige Pfützen bilden sich über den Abflüssen und wir haben Angst, nicht mehr über die Strasse zum Restaurant zu kommen heute Abend. Es wird Zeit zurück zu fliegen!

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