Sooo
historic …
Charleston
und Savannah sollen die absoluten Highlights des Südens sein.
Stimmt! … sie sind
sehenswert.
Wunderschöne Antebellum-Häuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert,
richtige Stadtzentren, Einkaufsstrassen, Kinos, Jugendstilbauten
–
und Savavannah hat doch tatsächlich eine
Buchhandlung!
Die erste, die wir in fünf Wochen sehen – Hanne ist glücklich,
denn hier verkaufen sie Margaret Mitchells „Gone with the Wind“ –
Jugendträume erwachen! Scarlett O'Hara fand das spanische Moos, das
wie Lametta von den uralten Eichen auf den Plätzen Savannahs
herunterhängt, spooky – Hanne liebt es!
Mich begeistert die
Information des Touristenbüros: It's
legal to sip alcoholic beverages smaller than 16 ounces in historic
Savannah streets and squares – an experience no true gourmet should
miss!?!
There's
a whole lot of shouting going on …
Endlich
Gospel in der First
African Baptist Church
(1777) in Savannah!! Wieder werden wir mehrmals per Handschlag
begrüsst: Where are
you from?
Germany? Welcome to
our Worship.
Die Kirche ist fast voll. Weshalb werden nur die Männer gebeten,
nach vorn zu kommen? Wir stehen im Kreis und fassen uns an der Hand –
jemand spricht das Gebet. Die Gemeinde wird aufgefordert sich zu
begrüssen. Alle
strömen durch die Reihen, schütteln sich die Hände und umarmen
sich und uns und wir sie:
Welcome! How are you doing? Glad you are here! Thanks for coming!
Dann geht es los: Der Gesang ist beeindruckend, die Stimmung
überwältigend! Einer beginnt, die anderen fallen ein. Begleitet von
Klavier und Schlagzeug, singt und lacht die Gemeinde voller Inbrunst.
Sie stehen auf, klatschen und bewegen sich im Rhythmus
– keiner kann sich dem entziehen!
Laut, leise, anschwellend, schneller und wieder langsam – wir
vergessen wo wir sind. Neben uns gibt es noch weitere weisse Besucher
– alle werden begrüsst: Where are the friends from Germany? Raise
your hands! Beifall! Die Sprecher danken Gott dafür, dass sie heute
morgen aufgestanden sind, dass es ihnen gut geht, sie Freude
empfinden dürfen, usw. und bitten um Liebe, Frieden, … and to
be saved.
Zwischendurch wird gelacht, alle sind entspannt, man klatscht und ist
fröhlich. Amen! Praise the Lord! Der Pastor fordert seine Gemeinde
stimmgewaltig immer wieder auf, die wichtigen Stellen aus den
Bibeltexten laut mitzusprechen, er selbst wiederholt seine
Kernaussagen mehrmals in allen Tonlagen. Es geht vor allem um
Nächstenliebe und die Aufgabe der Gläubigen, sich täglich in den
Dienst der Gemeinde einzubringen, nicht nur sonntags. Zu oft (für
uns) werden sie aufgefordert zu missionieren. Ganz nach unserem Gusto
ist die Aussage, dass keiner von uns perfekt ist und dass es keine
perfekte Kirche gibt. Should
you find the perfect Church, don't join!
You will spoil it!
Schallendes
Gelächter! Die Interpretation des Bibeltextes dauert wegen der
Wiederholungen endlos – und schlimmer, anschliessend wird nicht
mehr gesungen. Wir werden herzlich verabschiedet. Did
you like it?
It was great, thank you! Will
you come back? Well,
it's a long way from Germany!
Frustriert
und glücklich!
Abends,
100 Meilen südlich und gerade wieder in Florida, landen wir in einem
Hotel zum Abgewöhnen. Der Teppich ist voller grosser, dunkler
Flecken, die Laundry, die wir heute unbedingt brauchen, stinkt und
ist unglaublich verdreckt! Die Fast-Food-Buden rund um das Hotel sind
grauenvoll. Frustriert fahren wir noch fünf Meilen, landen in einer
Plaza (Ansammlung von Geschäften und Restaurants) und enden in einem
Mexican Grill – nichts besonderes, aber die
Mädels,
die uns bedienen, machen
uns innerhalb von Minuten fröhlich
und das Essen ist gut!
What
a Beach!
Stundenlang
fahren wir an Floridas Ostküste parallel zum Atlantik – ein Haus
am Meer neben dem anderen, nur Hotels sind dünn gesät! Nördlich
von Daytona Beach finden wir in einem Time-Share-Resort,
direkt am Wasser und spottbillig, ein schönes, kleines Zimmer.
Rechts und links unendlicher Strand, so weit das Auge blicken kann.
Wir geniessen vier Tage lang den riesigen Pool und mehrmals täglich
das wahnsinnig grüne Meer. Morgens um acht sind wir mit den
Pelikanen allein, sie sitzen da auf dem Wasser, einzeln und in
Gruppen oder fliegen in Formation, nur Zentimeter über der
Oberfläche, an uns vorbei. Erst Tage später liest Hanne im
Internet, dass dieser Küstenabschnitt die meisten Haiattacken
(210) der USA aufweist – bis ins knietiefe, grüne Wasser kommen
die niedlichen Tierchen, die Pelikane hätten uns bestimmt gewarnt.
Uns
attackieren andere!
Zweimal werden wir aufgefordert, völlig unverbindlich, an einer
Präsentation teilzunehmen. Man bietet Frühstück und ein Geschenk
von $100, in Form eines Schecks, eines Restaurantgutscheins oder
einer zusätzlichen Nacht im Resort. Unser persönlicher Berater
Terry fragt uns aus und verspricht uns das Blaue vom Himmel:
- Would you like to spent 80% less on your vacations??
- Is vacation a luxury or a necessity? (The latter, because everything is so fantastic with them!)
Wir
fühlen uns unglaublich dumm und
unterfordert! Owners können weltweit an einem Programm teilnehmen,
das ihnen ermöglicht, in 5Sternehotels zu 80% reduzierten Preisen zu
übernachten, sollten die dort Stornierungen erhalten und dies an
Terrys Organisation gemeldet haben!!! Ist das nicht grossartig? ...
wir würden Hundertausende sparen,
das müssten wir doch einsehen. Aber nur, wenn
wir heute noch Anteile
ihrer Condomiums
kaufen!
Fürs billigste Zimmer $10.000, für die neuen Apartments $29.900.
Sie erkundigen sich, Deutsche und Schweizer können in den USA
Grundeigentum erwerben, no problem. Nein, wir können nicht ein paar
Tage überlegen, morgen gilt das Angebot nicht mehr. Nein,
schriftliche Unterlagen können wir vor dem Kauf nicht mitnehmen, nur
jetzt während des Gesprächs einsehen, er legt uns einen Prospekt
vor, das sei Florida State Law – ausserdem, er habe uns doch alles
erzählt. Terrys Chef sieht uns mitleidig an, wozu überlegen, wir
könnten Hundertausende sparen! … immerhin, der Scheck ist unser!
Wir werden mit süsssauren Blicken entlassen. What
an experience!
Weshalb
die geschwollenen Formulierungen für alles und jedes? The
Mighty Eighth Air Force Museum and Memory Gardens – one of the
world's most powerful experiences!
Die gewöhnlichste Pizza in jeder Holzbude ist die Weltbeste,
zumindest aber: The
Best in Town
oder hat Awards gewonnen. Wer
lässt sich davon noch verführen? Alles
was älter ist als fünf Minuten ist historic; jede Bootstour is an
aquatic adventure that takes your breath away, it's magic and
unforgettable; jeder Leuchtturm ist der älteste und höchste; jedes
Hotel has been voted the best place to stay in, four years in a row,
auch wenn es dort nur ein Hotel gibt! Thank
you for ringing award winning Holiday Inn Express Fort Lauderdale. My
name is Daisy, can I help you? Dieses
Land erstickt in seinen Phrasen und Übertreibungen! Was machen die,
wenn es tatsächlich einmal etwas Tolles gibt? Wer schaut noch hin –
hört noch zu? Wir
sollten es auch sein lassen!
Dagegen
mögen wir den Spruch der Feuerwehr: If
in doubt, get out! …
oder den der Schlangenexperten: Green
and yellow, kills a fellow!
…und die Anhänger an allen Fön-Kabeln: WARN
CHILDREN OF THE RISKS OF DEATH BY ELECTRIC SHOCK! DONT REMOVE THIS
TAG! …
oder die Gleichung auf unserer daily plastic coffee cup: Smart
Roast Coffee + staying at this Hotel = dangerously high intellect.
Use with caution!
… oder
die Aufschrift auf unserer Wasserflasche: Eco-Air-Bottle:
Easy to handle shape offers the perfect combination of function and
design, delivering one of the world's most environmentally friendly
beverage containers. 30% less in plastic!!! Jetzt
aber
ist die Verschlusskappe so klein, deshalb:
Warning: Cap is a small part and poses a CHOKING HAZARD, particularly
for children.
Was gibt es da noch zu sagen?
Zu
denken geben die
Fetzen zerschlissener LKW-Reifen,
die alle paar hundert Meter am Strassenrand liegen – wieso so viele
und warum überhaupt? … und die
beim Abwasch sparenden US-Amerikaner:
noch nie haben wir zum Frühstück etwas anderes bekommen als
Plastikbesteck, Pappbecher und Styroporteller. Der Plastikmüllberg,
den allein wir in sechs Wochen hinterlassen ist gigantisch, nichts
wird recycelt, nichts getrennt.
… und
die vielen Dicken! 1996 haben wir in New York noch gezählt,
wie viele von denen wir pro Tag sehen – Hanne meint heute sei es
einfacher, die normal Gewichtigen zu zählen.
Angst
macht,
dass in Florida ein 12jähriger Junge als Erwachsener angeklagt
wurde. Seit Wochen sitzt er in einem Gefängnis für Erwachsene,
unter normalen Kriminellen. Er hat seinen kleinen Bruder zweimal so
geschlagen, dass dieser es nicht überlebt hat. Bereits Wochen vorher
hatte er ihm ein Bein gebrochen. Die
Staatsanwältin ist der Überzeugung, es sei genug, man müsse jetzt
mit aller Härte vorgehen!
Die Bilder der Gerichtsverhandlung zeigen den Jungen in
Anstaltskleidung und mit Handfesseln, die an seinen Gürtel gekettet
sind.
Knusprig
gebraten liegt das Filet des Red Snappers auf einem Bett aus Lemon
Orzo,
winzigen Nudeln in der Grösse eines Reiskorns. Drum herum kleine
Designertomaten in drei Farben auf Linien von feinstem Pesto. Hanne
Filetsteak ruht auf einem Trüffelrisotto, der
Wein ist gut und die Aussicht grandios.
Nach dem letzten Abend in New Orleans werden wir im „Citrus“ in
Vero Beach zum zweiten Mal ohne die üblichen Floskeln bedient!
Steve, schon etwas in die Jahre gekommen, betreut uns perfekt und
verspricht zu warten, bis wir wieder vorbei kommen!
Für
den nächsten USA Besuch packen wir das Steakpfeffer
aus dem Blockhouse ein.
Zu Hause einführen werden wir:
die Blue-Cheese-Sauce für
den Eisbergsalat – sorry
Alex!
In Fort
Lauderdale regnet es seit über 24 Stunden pausenlos. Riesige Pfützen
bilden sich über den Abflüssen und wir haben Angst, nicht mehr über
die Strasse zum Restaurant zu kommen heute Abend. Es wird Zeit zurück
zu fliegen!
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