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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Donnerstag, 9. Februar 2012

Wir haben es doch nicht ganz im Griff!

Wir wissen es aus Erfahrung! Seit wir vor einigen Jahren einmal kreuz und quer durch Mailand gelatscht sind, auf der Suche nach den tollen Restaurants, die in unserem Reiseführer beschrieben waren, den wir aus der Grabbelkiste einer Buchhandlung zum Sonderpreis ersteigert hatten, ist uns klar: Man sollte immer mit der neuesten Ausgabe reisen. Wider besseres Wissen hatte ich die Seiten über Yunnan sorgfältig aus unserem Lonely Planet 2005 herausgetrennt, um nicht den ganzen alten Schinken mitnehmen zu müssen. In Beijing brauchen wir keinen Reiseführer, dort kennen wir uns aus oder besser: dort haben wir Steffi, Till und Emil, die wissen wo es lang geht!
Nach dem wir in Kunming gelandet waren und in das im voraus gebuchte Hotel eingecheckt hatten, liefen wir los, um die Stadt zu Fuss zu erkunden. Und natürlich schaut man da schon mal nach dem einen oder anderen Restaurant, in dem man abends essen könnte. Nichts da, es ging uns wie in Mailand!
Yunnan liegt im Südwesten Chinas und grenzt an Tibet, Myanmar und Laos. Es ist so gross wie die Bundesrepublik D und Belgien zusammen und hat knapp 37 Millionen Einwohner. Der Lonely Planet hatte der Provinzhauptstadt Kunming 2006 noch 3.7 Mio. davon zugeordnet. Inzwischen sind es jedoch fast sieben plus ca. 1 Mio. Wanderarbeiter. Kein Wunder also, dass sich einiges verändert hat.


Die Pagoden stehen immerhin noch am alten Ort. Wir erfreuen uns an den Alten, die in dem kleinen Park daneben in der Sonne sitzen und Karten oder Mahjong spielen. Ich frage und darf sie fotografieren. Eine Alte fragt: “English?“ - „No, from Germany!“ Sie tut, als wüsste sie genau wo das ist. Ich male sicherheitshalber Europa in die Luft, je einen Kreis für England, Frankreich, Deutschland, die Schweiz und Italien. Sie lacht und freut sich: „Ha - ha - ha!“ (Ah ja! oder okay!). Manchmal hört sich das „ha“ schweizerisch an, mit dem allbekannten ch-Laut!

                           
Zwischen den Pagoden laufen wir durch einen Markt für Einheimische. Stände mit Fleisch, Schweineköpfen,


Gemüse, Fischen, gebratenen Hühnern und Enten, Tee, Pilzen, frisch und getrocknet, Gewürzen, Pasten und Sossen und allerlei Exotischem und Unheimlichen: Schlangen, Käfer, eingemacht und lebend, ... und sind das Kakerlaken oder Heuschrecken, die da im Wasser schwimmen? Können Heuschrecken im Wasser überleben? Oder werden sie so nur frisch gehalten, und die Schichten am Boden des Eimers sind bereits tot?
Spring City nennt sich die Stadt auf 2.000 m Höhe und machte ihrem Namen zwei Tage lang alle Ehre: glänzender Sonnenschein und richtig warm. Am zweiten Tag lassen wir uns im Taxi an den grossen See, südlich von Kunming fahren.


Die „Yunnan Nationality Villages“ sollen sehr touristisch, aber sehenswert sein. Vier Stunden lang laufen wir die 26 Dörfer ab, werden überall mit einem internationalen „Hello“ begrüsst und dürfen dann die Häuser und Trachten bestaunen und fotografieren. Einige der Volksstämme sind matriarchal geprägt, wir bestaunen in Stein und Holz gehauene Fruchtbarkeitssymbole der Jinuo und lesen über die Naxi, bei denen sich das Matriarchat sprachlich niederschlägt: Ein männlicher Stein ist ein Kiesel, ein weiblicher ein grosser Felsbrocken. Im Dorf der Bai wird Hanne vom Hunger überwältigt, und wir bestellen auf Rat der jungen, gut Englisch sprechenden Studentin am Nebentisch ein typisches Bai-Nudelgericht. Die Studentin ist längst verschwunden, als unsere Nudeln kommen – sie sind kalt, schmecken aber sehr lecker. Ob das so sein soll? Wir sind uns nicht sicher.
Die abschliessende Folkloretanzveranstaltung im grossen, halboffenen, zugigen Theater ist eine Pflicht, der wir gemeinsam mit hunderten Chinesen nachkommen. „Fotografieren verboten!“, steht auch in Englisch auf den Schildern. Die Landsleute halten sich nicht daran – wir auch nicht. Sie klatschen kaum, unterhalten sich ungeniert (was bei den plärrenden Lautsprechern nicht stört) und kommen und gehen pausenlos. Als das Ende naht, will jeder zuerst draussen sein – ohne Klatschen drängeln sie nach draussen, während wir geduldig die letzte Tanz- und Gesangsszene über uns ergehen lassen und Beifall bezeugen!


Abendessen in einer Kette: Master Kong Chef's Table – alles mit Rindfleisch, diese Nudeln sind heiss! Ich beginne mit der sehr scharfen Suppe, klemme ein paar Nudeln zwischen die Stäbchen, neige den Kopf weit vor bis an den Rand der grossen Schale – so macht man das! - und sauge, bzw. schlürfe gierig bis der Mund voll ist. Normalerweise beisst man jetzt ab. Bei mir gerät die Schärfe in den falschen Hals und ....
„Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung!“ (Heinz Erhard) – (Mir könnt ihr keinen Doktortitel fürs Plagiat wegnehmen!)
Unser Hotel hatte vor zehn Jahren mal 5 Sterne bekommen, seit dem ist nicht mehr viel Pflege investiert worden. Das Bad ist sauber, das Zimmer gross und aus dem zehnten Stock hat man einen weiten Blick. Die Rezeption preist das Doppelzimmer mit Yuan 1.200 an (EUR 145), wir bezahlen über eine Website $79 inkl. Frühstück (EUR 60) – dafür kostet der Liter Evian Mineralwasser Yuan 58 (EUR 7) – auf der Strasse zahlen wir Yuan 3 für einen Liter Lokales.
Der ausgezeichnet Englisch parlierende Mitarbeiter mit dem Schild „Concierge“ auf stolzer Brust, teilt uns auf die Frage nach dem Bus nach Dali mit, momentan herrsche wegen des chinesischen Neujahrsfestes (Beginn in drei Wochen!) peak season, die Busse könnten wir vergessen, die seien längst alle ausgebucht, er könne uns aber für Yuan 2.400 (EUR 290) eine Limousine nach Dali anbieten, der Fahrer würde uns auf dem Weg alle sehenswerten Dinge zeigen. Wir wähnen uns schon in der Seidenfabrik und in unzähligen Tempeln und haben den andauernden Redeschwall des Chauffeurs im Ohr und bitten um Bedenkzeit.
Überraschung: Im von Menschen wuselnden Busbahnhof treffen wir gleich auf zwei Englisch sprechende, junge Damen hinterm Schalter. Die Tickets für den nächsten Bus, Abfahrt in 25 min, kosten Yuan 142 pro Person – ab der 17. Person in der Limousine wäre es günstiger gewesen. Auf die Seidenfabrik verzichten wir. Dafür geht es im immerhin vollen Bus gleich zur Sache. Hanne sitzt direkt unterm Lautsprecher, ich daneben. Erst erscheinen junge, vielversprechende Chinesen auf den zwei Bildschirmen und singen, was das Zeug hält, in jedem Fall laut. Dann folgt kurz Michael Jackson's Moonwalker. Der Bus fährt los. Wir wollten nicht nach Dali fliegen, um etwas von der Landschaft zu sehen, aber Chinesen mögen keine Sonne. Eigentlich könnte die auch nur von links in den Bus scheinen, schliesslich fuhren wir morgens gen Nordwesten. Zwei Minuten später, nach mehrmaligem Abbiegen, waren alle Vorhänge zugezogen. Der Fahrer legte nun einen chinesischen Film ein. Während der ersten zehn Minuten lernten sich die Hauptdarsteller in witzig, erotisch-kämpferischer Art und Weise kennen. Sie flip floppen kreuz und quer, setzen sich gegenseitig in waghalsigen Kämpfen mit Händen und Füssen ausser Gefecht, rauchen pausenlos, zeigen Kartentricks, schiessen mit Revolvern um sich, fliegen in affenartiger Geschwindigkeit durch die Luft, um sich zu retten oder anzugreifen – und die jungen Damen finden zwischendurch noch Zeit, sich lasziv verführerisch auf Betten und Couchen zu rekeln. Dann war der Teambildungsprozess abgeschlossen, und sie kämpfen jetzt eine Stunde lang, kampfsportmässig und mit Maschinengewehren gegen ganze Heerscharen von Feinden mit Hubschraubern und allerlei gefährlichen Waffen! Toll, einfach toll. Noch vor dem Busstop begann der zweite Film, in Inhalt und Action gleich, nur jetzt tragen die Darsteller historische Kleidung und setzen weniger Technik ein. Zwischendurch bewunderten wir die Landschaft!


Beim Pausenstopp lerne ich die weltweit längste Pinkelrinne kennen. Es gibt kein Wasser – wir haben noch lokales Mineral (Helvetikum).


Breakfast? Room Cold? Airconditioning?



Das Dali Royal Hotel, viele Sterne für $ 89 ist leer und kalt – die Klimaanlage funktioniert erst ab 19:00 Uhr. Als wir nachmittags ankommen scheint die Sonne nicht mehr. Wir würden gern duschen, bevor wir uns auf den Weg in die Stadt machen, aber die Temperaturen im Bad machen es zu ungemütlich, es muss auch so gehen. Englisch geht im Hotel gar nicht! Kommunikation ist unmöglich, trotz aller Bemühungen, uns in Gebärdensprache verständlich zu machen. Trotzdem klappt es irgendwie!


Im Busbahnhof in Kunming und Dali waren wir die einzigen Nichtchinesen. Auch im alten Dali, einer touristischen Hochburg, sehen wir anfangs keine Langnasen. Erst abends sitzt neben uns ein holländisches Paar. In den Restaurants und Cafés sprechen alle Englisch, die Speisekarten sind zweisprachig – nur unser Luxushotel scheint allein auf Einheimische eingestellt. Beim Frühstück am nächsten Morgen geht es noch, es gibt eine Art Buffet. Ein Tag später stehen wir auf dem Schlauch. Kein Buffet, dafür werden wir aufgefordert, unsere Wünsche auf einem Zettel in englischer Sprache anzukreuzen. Aber was ist Spicy Fried Egg Pho? oder Steamed Bread? und hinter welcher Bezeichnung versteckt sich das leckere Gebäck des Vortags? Wir kreuzen an und erhalten ein Spiegelei, Toast und unser Gebäck – wo ist das Problem?
Dali ist auch ohne westliche Besucher voll – die chinesische Tourismusindustrie läuft auf vollen Touren. Hinter der hübschen jungen Dame im traditionellem Bai-Gewand der lokalen ethnischen Minderheit, mit der Tennisschlägeratrappe, die eine grosse 27 zeigt, laufen bestimmt 50 uniform grau gekleidete Herren her, mit der gleichen 27 auf dem Schild um den Hals. Es gibt viele chinesische Familien, zwar mit einem Kind, dafür mit mehreren Generationen. Solange die Sonne scheint ist es angenehm warm und man hält es gut aus im dünnen Fliess. Im Wind und ohne Sonne wünsche ich mir meine warme Mütze und die Handschuhe, die in Beijing zurück geblieben sind. Dali liegt auf 2.000 m, die Berge dahinter haben bis zu 4.000 m. Wenn wir frösteln, verschwinden wir in irgendeine Bar oder ein Café, bestellen uns Ingwertee mit Honig und üben unsere Stäbchenesskünste mit einem grossen Teller Fried Peanuts. In ihrer inneren Schale und in Öl im Wok geröstet, ist das keine leichte Aufgabe. So manche Erdnuss flutscht vom Tisch auf den Boden, aber was macht 's? Wir sind in China! Bis vier Erdnüsse auf einmal schaffen wir in den Mund – manchmal!
Trotz des guten Essens und Biergenuss habe ich abends im Bett und mit Klimaanlage Schüttelfrost. Nachts stellen wir das Klimading ab, Hanne schläft mit Socken, Bademantel und Fliess über dem Pyjama, ich mit einer zweiten Decke. Am ersten Morgen geht die Klimaanlage um 7:00 noch, später nicht mehr, d.h. Duschen im kalten Bad und mit, Gott sei Dank: heissem Wasser.
Oberhalb von Dali liegt eine „Filmstadt“. Hier wird zwar nicht gefilmt, es handelt sich lediglich um eine Touristenattraktion. Wer mit der Seilbahn auf 4.000 m fahren will, muss allerdings da durch. Wir zeigen immer wieder auf das Foto mit der Seilbahn, und man zeigt uns immer wieder den Weg zum Ticketoffice der Filmstadt, dann haben wir es kapiert. Wir zeigen wieder auf das Seilbahnposter, und nun verneint man international mit dem Zeigefinger und schreibt uns netterweise noch etwas auf chinesisch auf den Prospekt. Später finden wir heraus, dass die Seilbahn nicht fährt, auf 4.000 m liegt Schnee – welch ein Wunder! ... und dann darf man da nicht hin – schade!


Wir bewundern die berühmten drei Pagoden im Original, die wir als Imitat schon im Nationalities Park fotografiert hatten und machen uns dann auf den Anstieg durch einen der grössten Tempel der Buddhawelt. Die Tempelgebäude sind brandneu, aber trotzdem sehenswert. Von oben hat man einen grandiosen Blick auf den See. Kurz vor dem Ende geben wir auf. Wir treffen keinen Chinesen, der nach unten läuft, die fahren alle mit dem Elektrobus – meine Knie wären gern mitgefahren.



Den zweiten Tag verbringen wir in einem Dorf der Bai Minorität nördlich von Dali. Wir sind begeistert von dem Markt für die Einheimischen und den alten Gebäuden, probieren die örtliche Speckpizza und lassen uns von einer alten Dame ein noch viel älteres Herrschaftshaus von innen zeigen. „Welcome to our home! This is the General's house“, steht aussen auf der bröckelnden Fassade. Wir wandern durch die Innenhöfe, sie sehen toll aus, kaufen zwei aus Stroh geflochtene Fische für Yuan 20, und die Dame ist happy.



Beim Security Check im Flughafen Dali, lege ich das Netbook und meine Jacken auf das Förderband und neben mir sagt eine Stimme: „Bitte!“ Ich denke nicht darüber nach und gehe durch den Metalldetektor, der ordnungsgemäss meinen Gürtel entdeckt. Nachdem mich die junge Dame untersucht hat, drehe ich mich zum Förderband um, und einer der uniformierten Beamten fragt mich in akzentfreiem Deutsch: „Kommen Sie aus Deutschland?“ Wir kommen ins Gespräch, und er erzählt mir, dass er drei Jahre in Deutschland Deutsch studiert hat – ich lobe ihn und seine Aussprache, und er freut sich. Seine Kollegen finden es grossartig, wie er sich mit mir unterhalten kann in dieser völlig fremden, obskuren Sprache, unterbrechen ihre Arbeit und lachen.

Ab ins Warme

Auf Yunnan sind wir wegen des Klimas gekommen und dem Hinweis im Lonely Planet, dass, wenn man nur eine Provinz Chinas besuchen kann, sollte es Yunnan sein, wegen der Vielfalt der Landschaften und Minoritäten. Gute Entscheidung!


Wir landen bei 26 Grad Celsius, reissen uns die Winterjacken vom Leib und krempeln die Ärmel hoch – endlich Wärme, nachdem uns der Flughafen in Dali im Wind und mit allen Wartehallen im Schatten noch Frostbeulen beschert hatte. In Xishuanbanna und der Stadt Jinghong herrscht Sommer auch im Winter, solange die Sonne scheint. Nur gegen Abend wird es kalt, bis nach dem Frühstück. Steffi und Till hatten uns Yourantai, das Guesthouse mit nur fünf Zimmern und der ausgezeichneten Küche empfohlen und gebucht.
Gerard Burgermeister, der Schweizer aus Genf, der lieber Englisch als Deutsch spricht, hat auch noch ein Haus in Nicaragua, wo er ein paar Jahre lang als Biologe mit einem Master in Economics für Wasser in Dörfern sorgte. Nach ein paar Jahren in Beijing, in denen er für die CH Botschaft gearbeitet hatte, kaufte Gerard vor acht Jahren das Grundstück oberhalb des Mekong, befreite das stark abfallenden Gelände von den Kautschukbäumen und legte seinen eigenen Regenwald an.


Wir wohnen im Riverside House mit Terrasse und Blick auf den Mekong und einem
offenen Bad – Toilette und Dusche im Freien, von einer Mauer umgeben und trotzdem wärmer als in Dali – auch morgens!
Uns betreut Shanfu, sehr hübsch, 1.50 m gross mit 80 cm langen schwarzen Haaren. Sie gehört der Akha Minorität an, die grenzüberschreitend auch in Laos und Myanmar leben.
Abends geniessen wir die ausgezeichnete französisch europäisch angehauchte asiatische Küche des Hauses und die Gesellschaft Gerards und einiger netter Amerikaner: Mike, mit chinesischer Frau Anita, US-Mutter Jane und eigenem Unternehmen in China. Mike hat sich spezialisiert, er hilft US Unternehmen, ihre Rechte in China zu sichern. Jede ausländische Firma, die in China produzieren lässt, läuft Gefahr, das ihre Produkte kopiert werden. Um das zu umgehen, lässt man von unterschiedlichen Herstellern nur Einzelteile fertigen, die Mike dann in seinem Montageunternehmen zusammensetzt und exportiert. Er beschäftigt 200 Mitarbeiter, die vom Spielzeug bis zu hoch technischen Instrumenten einfach alles montieren. Seine Frau Anita, hat ein fünfmonatiges Baby, das sie einfach bei der Nanny gelassen haben, um ein paar Tage Urlaub zu machen. Das können wir als frisch gebackene Grosseltern von Emil und Mervi natürlich nicht gutheissen.
Am zweiten Abend organisiert Gerard eine Party, damit sich es sich lohnt ein Buffet mit Dai Spezialitäten auf den Tisch zu bringen. Die Dai sind die grösste Gruppe der ethnischen Minderheiten Xishuanbannas, sie stellen gut ein Drittel der Bevölkerung. Es gibt: Gebackenen Fisch mit einer sehr scharfen Sosse, gegrillte Aubergine, süsses, fettes Schweinefleisch und diese Hühnerteile, die bis zur Unkenntlichkeit mit irgendetwas Schwarzem mariniert sind. Ich erwische ein ansehnliches Teil des Huhns und der Rest der Tafel beginnt zu grinsen. Es ist der Kopf mit dem weit geöffneten Schnabel, das absolut leckerste Teil überhaupt, wie man mir versichert – ich knabbere daran herum und finde es gar nicht schlecht! Mit dabei sind neben Gerard und uns noch Olivia, die nette Chinesin aus Shanghai mit ihrer Tochter, die noch besser Englisch spricht als ihre Mutter und Tata, eine attraktive Chinesin mit den zehnjährigen Sohn Ryan, verheiratet mit einem, leider nicht anwesenden Amerikaner, der, geboren im Jemen, in den USA aufwuchs. Tata parliert nach ein paar Jahren in London in wunderbarem British English. Ryan tönt amerikanisch. Die Schule in London fand er doof, die Lehrer seien alle inkompetent gewesen. Danach, auf einer Privatschule in Shanghai war es zu kompetitiv, die Schüler waren bei Krankheit eines Klassenkameraden nicht bereit, sich gegenseitig mitzuteilen, welche Hausaufgaben zu machen waren, um den Anderen schlecht dastehen zu lassen. In Xishuanbanna sei alles super, der chinesischen Schule sei es egal, ob man komme oder nicht – grossartig eben!
Hier empfinden wir small talk plötzlich angenehm. Wahrscheinlich liegt es an den interessanten Leuten. Wir lernen sogar Amerikaner lieben, die ein paar Jahre lang im Ausland gelebt haben.


Gerard empfiehlt uns den Botanischen Garten und Regenwald, 80 km östlich von Jinghong, den wir mit einem Taxi, für einen Tag gemietet: Yuan 400 (EUR 50), besuchen. Auf dem Rückweg besuchen wir zwei Dai Dörfer mit den typischen Häusern auf Stelzen. Überall laufen die Hühner frei herum, am Dorfrand sehen wir Fischteiche, die Leute winken uns freundlich zu – offensichtlich freut man sich über Besucher.


Der zweite Tag bringt die echten Highlights. Shanfu zeigt uns ihre Heimat. Erste Station ist der riesige Markt von Menghai. Hier gibt es keine Touristen – die letzten vor uns waren wahrscheinlich Steffi und Till, Letzterer kaufte hier vor drei Jahren die Verlobungsringe für Yuan 2 (EUR 0.25). Spannend sind die Fleischstände mit ganzen Schweinebeinen und -köpfen, Bergen von Schweineohren und -schnuten, Rinderseiten mit je einem Bein in voller Fellbekleidung samt Huf und der Schafskopf, enthäutet aber mit in die Kamera glotzenden Augen. Die Gemüseabteilung ist die bunteste, alles sieht sehr lecker aus. Daneben bestaunen wir die Gewürze, die Vielfalt der Peperoncini und die Anzahl der Schüsseln mit fertig zubereiteten Sossen, einige dürfen wir probieren – wie gesagt: bunt, lecker ... und scharf!


Shanfu hat hier die Oberschule besucht, im Internat, es wäre zu weit gewesen, täglich aus ihrem Bergdorf hierher zu kommen. In der nächsten Kleinstadt essen wir eine Schale mit Nudeln in einer scharfen Flüssigkeit. Wir sitzen auf den für Südostasien typischen winzigen Hockerchen direkt neben der Strasse. Die Nudeln werden aus fertigen Blöcken heraus gekratzt, der eine sieht aus wie ein übergrosser Vanillepudding, der andere ist grau und fast durchsichtig. Will man die Stücke mit Stäbchen aus der Flüssigkeit heben, zerbrechen sie. Wir bekleckern uns! Man muss halt ganz nah mit dem Mund an die Schale heran und sie dann hinein schaufeln, was schwierig ist, weil Hanne und ich uns eine Schale teilen, die sie mehr oder weniger kunstvoll in ihrer Hand balanciert. So einiges geht daneben, läuft über die Hände und tropft auf den Boden – was machts? Shanfu hat uns zu den Nudeln eingeladen und dafür spendiere ich die gegrillten Fleischspiesse. Shanfu entscheidet sich für drei Spiesse mit Innereien, sie weiss nicht genau, was sie da isst, dafür aber, dass es ganz lecker ist. Wir nehmen sicherheitshalber Schwein und Huhn.


Die Dame am Grill streut während des Garvorgangs Gewürze aus mindestens fünf verschiedenen Plastikflaschen aufs Fleisch. Dazu gibt es eine Hand voll Klebreis im kleinen Plastikbeutel, darüber Gemüse in einer scharfen Marinade und Stäbchen natürlich. In Ermangelung eines Tisches halten wir alles gleichzeitig in der Hand und essen. Sehr geschmackvoll, das könnte ich jeden Tag machen.
Im nächsten Dorf werden aus Baumrinde grosse Papierblätter hergestellt, wir beobachten wie die Baumrinde in Wasser aufgelöst wird und sehen dann einer alten Frau zu, wie sie blitzschnell das getrocknete Papier von den, auf Rahmen gespannten, Netzen löst.
Eindrucksvoll bleibt der Besuch im Dorf der Bulang Minorität in Erinnerung. Wir fahren von der Strasse ab und ein paar Kilometer auf einem, nicht asphaltierten Weg den Berg hinauf. Rechts und links des Wegs wird Tee angebaut. Die Büsche stehen auf schmalen Terrassen, die in den Berg gefräst wurden. Aus dem Flugzeug sehen die Berge Xishuanbannas wie von Hand modelliert aus. Shanfu führt uns an ein altes, strohgedecktes Holzhaus auf Stelzen. Die freundlich lächelnde junge Frau lädt uns ein, die einfache Treppe hinauf in den Wohnraum zu kommen. Wir nehmen auf noch winzigeren Hockern Platz.


Zwei Frauen sitzen um die offene Feuerstelle. Ein langer Ast und ein meterlanges Stück Bambus werden ständig in die Glut nachgeschoben. Über der Feuerstelle hängt etwas in der Form eines Tabletts, alles ist voller Russ und leicht verräuchert. Zwei weitere Frauen, ich halte sie erst für Kinder, liegen aneinander gekuschelt auf einer Matratze, zugedeckt mit einer bunten Wolldecke. Die beiden blicken gebannt auf den Fernseher, in dem einer dieser tollen chinesischen Komödien läuft. Shanfu meint, die Frauen könnten nur wenig Chinesisch, sie schauen den Film, ohne den Text zu verstehen. Unsere Gastgeberin ist zwanzig Jahre alt, ihre beiden Kinder sind in der Schule in der Nachbarstadt, sie sind 8 und 7 Jahre – sie strahlt uns stolz an. Unterm Haus, zwischen den Stelzen, tummeln sich schwarze Borstenschweine in allen Altersgruppen, dazwischen stolzieren Hähne und Hennen.


Auch im Dorf laufen überall Schweine und Hühner umher. Den Leuten scheint es gut zu gehen. Uns fallen die Scharen von Kindern auf. Die Einkindpolitik der Zentralregierung gilt nicht für Minderheiten, erklärt Shanfu. Wir machen zahlreiche Kindergruppenfotos, die anschliessend staunend betrachtet und belacht werden.

Am letzten Tag in Jinghong will ich mir eine Massage gönnen und entscheide mich für ein Etablissement mit eindrucksvoller Eingangshalle, einer grossen Freitreppe in den ersten Stock und vielen Türen rechts und links. Der junge Mann, der mir den Bottich mit heissem Wasser für die Fussreinigung bringt, sieht aus wie fünfzehn. Mit sehr zarter Hand, fast spielerisch streichelnd, wäscht er meine Füsse, trocknet sie ab und versucht mich ins Gespräch zu verwickeln. Ich bedaure höflich und signalisiere ihm: „Ich kann kein Chinesisch.“ Er beharrt auf Konversation und stellt immer wieder, was sich wie die selbe Frage anhört. Ich wiederhole mich ebenfalls, zunehmend genervt. Durch meine Jeans massiert er meine Oberschenkel und berührt dabei mehrmals, wie zufällig, was er nicht berühren sollte – ich schimpfe und schaue ihn böse an! Es vergeht viel Zeit, bis der junge Mann den Wasserbottich weggebracht hat. Dann widmet er sich endlich meinen Füssen. Nein, er steht nochmals auf, zupft an meinen Haaren auf dem Unterarm und sagt irgendetwas auf Chinesisch. Ich scheuche ihn weg und werde böse – er grinst nur. Nun endlich passiert etwas mit den Füssen. Endlos cremt er sie ein: streichelnd zart. Die Massage beginnt, sehr sanft, aber nicht unangenehm. Immer wieder fordert er das Gespräch – ich bedeute ihm endlich still zu sein – wieder das Grinsen, jetzt aufmüpfig. Offensichtlich massiert er nicht so gern, denn während er spricht oder ich ihn auszähle, starrt er mich an und vergisst meine Füsse. Langsam entspanne ich, schliesse die Augen und schrecke hoch als er unterbricht. Ich sehe, wie er interessiert die Aufschrift auf der Cremeflasche studiert. Ich protestiere! Fünf Minuten später: Er beginnt zu singen, schaut aus dem Fenster und vergisst schon wieder meine Füsse. Nach 40 min im Institut, davon 20 min Massage, läuft mein Masseur aus dem Zimmer, kommt 5 min später mit einem neuen Wasserbottich wieder und beginnt erneut meine Füsse zu waschen. Eigentlich soll die Sitzung 100 min dauern. Der Jüngling verschwindet mit dem Wasser und kehrt 5 min lang nicht zurück. Erbost ziehe ich meine Socken und Schuhe an und gehe. Der Dame, die auf einem Hocker vor dem Gebäude sitzt, versuche ich mich verständlich zu machen: No good! No money! ... und mache mich, etwas unentspannt, aus dem Staub.

Die letzten Tage dürfen wir noch einmal in Beijing verbringen.


Die Abreise fällt uns schwer - der Gedanke an Meike, Malte und Mervi in Kiel macht es etwas leichter.


Im März werden Steffi, Till und Emil nach Singapur umziehen. Wir werden China vermissen!

In einem kleinen singapurischen Reiseführer las ich:
Singapore is fabulous for two main reasons: Great shopping and fantastically eclectic cuisine! Lecker!
Mad dogs and Englishmen …
There are two types of weather:
Wretchedly hot and humid! …... or wretchedly hot, humid and raining!
Can't be that bad!
Very typical Singlish phrases:
Hello, lah!
Bye-bye, lah!
Don't talk cock, can? (Would you mind not …..)
Sounds interesting!

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