Die Fähre von Ischia nach Pozzuoli war knüppeldicke voll! Es war vielleicht etwas unbedacht von uns, sie für den Sonntag nach Himmelfahrt zu buchen – auch Italiener haben eine „Brücke“. Aber wer denkt denn an so etwas? Wenn man im Urlaub ist, ist jeder Tag Feiertag!
Die lange zweispurige Strasse zum Hafen ist schon voll, als wir dort ankommen. Rechts parken Fahrzeuge, daneben stehen wir und die anderen vor und hinter uns in der Schlange – es bleibt nur die letzte schmale Spur, die vom Hafen wegführt, als die beiden grossen Fähren von Napoli und Pozzuoli fast gleichzeitig in den Hafen einfahren, voll von Ischia-Tagesausflüglern, natürlich mit Auto, die die Fähre verlassen wollen. Wollen - denn gehen tut nichts! Kaum hat der Stau hinter uns die Hauptstrasse erreicht, versuchen Taxis, Kleinbusse, Busse und alle anderen, die, wie wir auch, auf die Fähre oder nur Gäste zum Schiff bringen wollen, links an uns Schlangestehenden vorbeizufahren – wohlgemerkt auf der Gegenfahrbahn. Nach zwei Minuten ist alles dicht!
Als sich nichts mehr bewegt und alle hupen, wütend, dass der vor ihnen nicht weiter oder zur Seite fährt, um sie durchzulassen, beginnen einige den Rückzug anzutreten, das heisst, umzudrehen oder rückwärtszufahren, um dem Chaos zu entkommen. Gar nicht so einfach! Wir alle bewegen uns fünf Zentimeter in die eine oder andere Richtung, aus den drei Spuren werden vier, und dann wird es doch tatsächlich immer leerer auf den - jetzt zwei - Gegenfahrbahn neben uns.
Einigen Fahrzeugen gelingt es sogar, die beiden Fähren zu verlassen!
Kaum aber ist die Spur links neben uns für Sekunden frei, strömen von oben wieder neue Idioten nach. Mit Gegenverkehr konfrontiert, drängen sie sich zwischen oder an die Schlangestehenden, in der irrsinnigen Hoffnung, die von der Gegenseite werden schon irgendwie vorbeikommen. Wieder hupt alles, jetzt steigen einige auch aus und beschimpfen sich auf das Heftigste.
Wir waren der Annahme erlegen, Italiener würden solche Situationen gelassen hinnehmen, weil, das hält man ja nicht ein ganzes Leben lang durch!
Jetzt hätte die Fähre eigentlich losfahren sollen!
Eine weitere halbe Stunde später schiebt sich alles langsam um zwei Ecken und wir kommen auf den Platz vor dem Kai, vollgestopft mit Fahrzeugen aller Art und in allen Richtungen drängelnd fahrend, bzw. stehend, raus, rein, irgendwohin. Aus zwei Spuren werden vier, fünf, dazwischen parkende, verlassene Autos – aus den fünf drängelnden Spuren werden dann wieder drei, zwei, sobald man der Fähre näher kommt – jeder schneidet jeden und schon fahren wir, einspurig, tatsächlich noch aufs Schiff, das eigentlich schon in Pozzuoli sein sollte.
Hanne hatte es zwischendurch nicht mehr geglaubt!
Es wird eine wunderschöne Überfahrt!
Auf unerklärliche Weise ist der Fahrersitz unseres Renaults mal wieder aus der Verankerung gesprungen. Immer passiert das, bei jedem Auto und wieso gerade uns, unverständlich!
Wie auch schon vorher, stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, lassen wir ihn reparieren, oder lohnt es sich nicht mehr bei dieser alten Schlärre? Und was kostet das hier in Italien, womöglich wird man reingelegt und die berechnen alles Mögliche. Wir wagen es trotzdem! Francesco, der Hotelier des Piccolo Paradiso, nennt uns die einzige Werkstatt in Massa Lubrense. Ausgerechnet FIAT, nur das nicht!!!
Mutig und in meinem besten Italienisch (un pocco soltanto), versuche ich, dem noch jungen, gutaussehenden Maestro zu erläutern, was los ist. Der Sitz und die Scheinwerferlampe vorne rechts und die nicht funktionierende Klimaanlage und das Geräusch, das man bei offenem Fenster und bei jedem Schlagloch hinten rechts klingeln hört. Heute Abend um sechs sollen wir wieder vorbeikommen.
Gemütlich wandern wir, trotz Meniskusschaden innen rechts und links die zwei Kilometer zum Hotel bergab und abends wieder hinauf. Deutsch und pünktlich stehen wir um siebzehn Uhr fünfundvierzig vor der Garage. Es sei überaus schwierig gewesen, den ganzen Sitz hat er ausbauen müssen und dann die Elektronik und dann wieder einbauen! Symbolisch wischt er sich den Schweiss von der Stirn. Mir schwant Schlimmes! Mehrere Stunden Arbeit? Das Geräusch könne er nicht hören – da geht es ihm wie der Renaultwerkstatt in Fahrwangen, Schweiz, die hatten den Wagen zur Inspektion und haben nichts gehört, geschweige denn entdeckt. Auf geht’s zur Probefahrt, nun fehlen plötzlich die Schlaglöcher, aber er kennt eine Nebenpiste und gemeinsam hören wir das vertraute Klingeln. Quindici minuti – daraus werden fünfundzwanzig – aber er findet das Geräusch! Nachdem sein Monteur das Rad demontiert hat, klopfen sie beide an alle erreichbaren Teile – es ist der Deckel des Stossdämpfers, der sich, verrostet, von seinem Stammteil gelöst hat und nun seit schon tausenden von Kilometern für gedämpfte Musik sorgt, sobald wir über Unebenheiten fahren. Deutschland: Salz, ist die Erklärung. Bravo! Und es ist überhaupt nicht wichtig oder gefährlich, also lassen wir es weiter klingeln.
Während sein Kollege die Lampe wechselt, versucht der Chef Gas durch unsere Klimaanlage zu pusten oder aufzufüllen, ich kenn mich da nicht so aus, vergebens. Dann, um neunzehn Uhr dreissig, holt er seine Schwiegermutter von oben, sie kommt aus Deutschland und muss uns nun übersetzen, was er alles gemacht hat und warum was nicht! Der Maestro und ich verabschieden die Dame und entschuldigen uns, dass wir sie unter der Dusche herausgeholt haben und gehen gemeinsam ins winzige Büro. Für mich nicht lesbar, schreibt er mehrere Zeilen auf die Rechnung. Ich ahne Fürchterliches – neunzig Euro kostet es, alles zusammen!!! Ich gebe dem Monteur fünf Euro Trinkgeld und werde in Zukunft meine Autos alle nur noch bei FIAT in Italien reparieren lassen!
Grossartiges Preis/Leistungsverhältnis!
Nach fast siebzig Tagen und fast so vielen Restaurantbesuchen ziehen wir Bilanz: So richtig gut zum Schwärmen war es vielleicht fünfzehn Mal! Davon bestimmt acht Mal auch richtig teuer. Die Speisekarten (des Südens?) gleichen einander zu sehr. Wir haben keinen Appetit mehr auf immer die gleichen Spaghetti Vongole, das Risotto di Mare, Zuppa de Cozze, den Schwertfisch und die Dorade. Selbst bei ganz guten Gerichten sitzen wir da und fragen uns, weshalb haben die hier nicht noch …? Frittiertes meiden wir wie die Pest. Welcher vernünftige Mensch kommt auf die Idee, eine hervorragende Aubergine zu häuten, in Scheiben zu schneiden und diese im dicken Bierteig mit Mozzarella dazwischen in die Friteuse zu werfen? Erdbeeren, mutwillig kleingeschnipselt, schwimmen in einem undefinierbar süssen Saft, während sie an den Obstständen, frisch dargeboten, Begeisterungsstürme hervorrufen könnten. Der Orangensaft zum Frühstück ist dünn, synthetisch hergestellt, wässrig, viel zu süss und keinesfalls frisch gepresst! Grauenvoll!
Wer glaubt uns schon, dass wir die scheusslichste Pizza unseres Lebens in Italien gegessen haben?
Mein Traum war immer Halbpension. Mein Argument: Da kann sich ein guter Koch so richtig austoben und muss den Gästen, die zwei Wochen bleiben, richtig etwas bieten, geschmacklich vor allem.
Ich bin geheilt, die insgesamt sechs Tage, in unterschiedlichen Hotels, in denen wir es probiert haben, vergesse ich, kulinarisch negativ, nicht so schnell. Porca miseria!
Gedanken, an Kim und Anns Italiener in Henstedt-Ulzburg oder die schwäbische Küche im Kaiserstuhl, treiben uns Tränen in die Augen!
Sicher liegt es auch an den dummen Touristen, denen zuliebe man so kocht, wie sie es gewohnt sind. Was wäre die deutsch/italienische Küche ohne Spaghetti Bolognese – dann aber bitte mit Geschmack und frisch geriebenem Parmesan – lasst euch etwas einfallen!
Geheimtipp: kann gar nicht schiefgehen: Spaghetti aglio, olio, peperoncino!
Von solchen Tipps gibt es natürlich noch mehr, unter anderem auch zahlreiche Zubereitungsarten, der von mir so heiss geliebten Aubergine.
Wer kann den Geschmack frischen Gemüses toppen? Tomaten wie in Süditalien gibt es in unseren Breitengraden gar nicht! Nirgendwo schmecken Orangen besser, als dort, wo sie wirklich reif geerntet werden. Ganz zu schweigen von den Fischen, die Stunden zuvor noch im Meer schwammen!
So schlecht kann es doch eigentlich gar nicht gewesen sein!
Das Hotel Piccolo Paradiso in Marina della Lobra bietet uns ein ausgezeichnetes Fitnessprogramm. Nachdem wir in der Dependance endlich heimisch geworden sind – Zimmer neunzehn mit überdimensionalem Balkon/Terrasse, dreimal grösser als das Zimmer selbst – müssen wir 49 Stufen zur Rezeption erklimmen und dann noch mal 19 bis zum Frühstück. Zum Apéro bei Matilde am Hafen geht’s 49 Stufen rauf und dann 71 wieder runter. Von Matilde zum Restaurant gehen wir eine schiefe Ebene mit nur wenigen Stufen bis zum Wasser und dann ca. 15 Höhenmeter wieder hinauf. Zum Abschluss, quasi als Verdauungsübung, wandern wir die Höhenmeter wieder abwärts zum Wasser, nehmen dann die 89 Stufen von ganz unten bis zum Hotel hoch und – na, wer denkt mit? – die 49 hinab ins Bett. Nach dem Abendessen bei Michele am Hafen läuft das alles natürlich wie geschmiert. Die Linguine mit dem halben Hummer (… was sollte bloss der Absatz über schlechtes Essen!?!) und der leckere Weisswein, ein Liter acht Euro, lassen uns nach oben schweben.
Wir haben uns beide angetan! Schliesslich steht im Reiseführer, dass das Herculaneum ebenso so toll sei wie Pompeiji. Das stimmt so nicht, es ist viel kleiner, enger und umgeben von der neuen Stadt Ecolano, Hanne hat sich dort den Fuss bös verstaucht, und die die Sonne schien nicht. Vielleicht wird es später mal so toll, wenn wieder Geld fliessen sollte und man die Neustadt abgerissen und den Rest der alten Stätte ausgegraben haben wird. Mit Ursula und Heinz-Werner sind wir dann noch in Pompeiji. HW ist da nicht so richtig freiwillig, fünf Stunden latschen wir mit tausenden von anderen Touristen durch die ehemalige Grosstadt. Allein DAS MOSAIK von Alexander dem Grossen reisst es für ihn und uns so richtig raus! Aber die Anlage ist grossartig, wenn nur eine, dann diese!
Seit HW und Urs da sind, ist richtig Sommer. Noch nie haben wir in all den Wochen vorher abends draussen gegessen – mit ihnen immer. Und dann soll ich noch erwähnen, dass Ursula tatsächlich und trotz der irrwitzigen Wassertemperaturen im Swimmingpool war!
Die Küste ist wirklich wunderschön, vielleicht nicht einmalig, aber traumhaft! Die berühmten Orte – Positano und Amalfi – sind es nicht (mehr?)! Die Massen drängen sich durch die Gassen, hin und wieder auch eine Schulklasse, tausend kleine Geschäfte, eins neben dem anderen, jeder Meter Mauer ist auch Verkaufsfläche, überall wird das Gleiche angeboten, Textilien von edel bis billig, und dann diese grauenvollen Souvenirs – wer kauft denn diesen Schrott? Die Preise überbieten alles bisher Dagewesene!
Hier muss jedoch die Torta Ricotta e Pera positiv erwähnt werden, die Giovanni uns/mir für Amalfi ans Herz gelegt hatte – lecker!
Um 15:30 Uhr setzen wir Urs und HW am Flughafen in Neapel ab und schaffen es noch bis Arezzo an diesem Abend. Gleich ins erste 4*-Hotel – das Zimmer ist doppelt so gross wie das in Amalfi in der Nacht zuvor, das Bad dreimal, die Möbel sind neu, das Bett breit und bequem. Im Restaurant bemühen sich gleich zwei Ober um uns, und einige Minuten später schwelgen wir in Parmaschinken und Bruschette, gefolgt von einem, wieder einmal und bis auf weiteres, letzten grossartigen Fiorentina - nur mit Salat natürlich, man kann das ja nicht alles essen!
Am nächsten Morgen bezahlen wir nach einem super Frühstück, tutto completo, Zimmer und Essen kosten nur unwesentlich mehr als in Amalfi das Zimmer mit schlechtem Frühstück!
ENDE GUT – ALLES GUT!
… bis auf den Hinweis, dass man Richtung Süden und zurück tunlichst nicht durch die Schweiz reisen sollte – nicht nur wegen der Vignette (40 CHF und der steigt immer mehr gegen den Euro!), sondern wegen der Staus vor der Grenze und dem allseits bekannten Gotthard! Wir sind auch noch so blöd und wollen ausgerechnet am Sonnabend nach Hause, dem nach dem Pfingstmontag und der ersten Ferienwoche Baden-Württembergs! Schuld daran ist allerdings eine gewisse Lena!
… aber – es hat sich doch gelohnt, oder?!
… und dann noch: `s Chäsfondue ist auch grossartig!
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