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Unvollständige, unsystematische, unübliche und nicht ganz vorurteilsfreie Reisebeobachtungen aus der Altersfreiheit!

Freitag, 2. April 2010

… gen Sicilia



Inzwischen sind wir schon da, nach acht Tagen, zweitausendsiebenundsechzig Kilometern, gefühlt ebenso vielen Tunneln und Stunden hinterm Steuer! ...
Dabei geht es harmlos los - erster Stopp nach dreihundertundfünfzig Kilometern: Cremona, kurz hinter Milano, die Stadt des Geigenbauers Stradivari – wir wechseln uns ab, keiner fährt mehr als zwei Stunden, zwischendurch Café, etc. – nur keinen Stress! Cremona ist super, das Hotel mässig, vor allem als wir Tage darauf feststellen, dass der Übernachtungsbetrag zweimal von meiner Kreditkarte abgebucht wurde!!! Inzwischen ist alles geklärt, die siebzig Euro werden hoffentlich wieder rückerstattet, Emanuela hat es versprochen. Wir hatten mit Kreditkarte über "initalia" gebucht – wenn man nicht im Hotel erscheint, kostet das eine Übernachtung! Mühevoll hatten Emanuela und ich auf Englisch per Handy herausgefunden, dass wir zwar beide Pässe an der Rezeption abgegeben hatten, der ältere Herr das Zimmer aber über Hanne eingetragen hatte. Ich, unter dessen Namen das Zimmer reserviert war, war nicht gekommen. Die Kosten der Wahrheitsfindung werden wohl höher sein als die Rückerstattung!
Zweiter Tag bis Greve in Chianti, gleiches Hotel wie 2008 mit Artur. Das Fiorentina nehmen wir diesmal aber gegenüber im „slow-food“ Restaurant – einfach grandios! Nächste Station: Zwei Tage Rom mit endlosen Wanderungen von der Via Veneto - in einer kleinen Seitenstrasse ist unser Hotel, das selbe wie damals - bis zum Petersdom und zurück, von der Piazza Repubblica über das Colosseo, Piazza del Poppolo und die Spanische Treppe ins Hotel und abends noch mal zu „Luigi“ (Spaghetti mit Hummer und …!), in Erinnerung an den Abend (vor wie vielen Jahren?) mit Vrony, Luca, Francine und Familie!

Die Füsse platt, steigen wir am nächsten Morgen wieder ins Auto und erst in Sorrent wieder aus. Hier gefällt es uns nicht so, die Berge hinter und das Meer vor uns schon, aber sonst – völlig zugebaut, kein Zentimeter grün – also weiter bis Marina della Lobro, Massa Lubrense. Endlich im richtigen Italien!


In der kleinen Hafenkneipe bedient uns Matilde, sie spricht sogar Deutsch, ihr Papa auch, und sie zeigt uns eine winzige Ferienwohnung mit Dachterrasse, sehr einfach, aber mit Blick auf Hafen und Meer, grossartig, vielleicht stranden wir dort im Mai noch einmal. Francesco, der Chef unseres Hotels mit unglaublichem Blick, spricht noch besser Deutsch! Hanne und ich sind uns nicht einig, und so fragen wir beide, und der arme Francesco muss uns zweimal erzählen, dass seine Mutter Deutsche ist und er ein paar Jahre dort gewohnt hat und zur Schule gegangen ist. Vor dem Hotel parkt der deutsche Ferienbus, die Reisenden sind aber noch auf Capri – na, wenigstens sind wir nicht ganz allein beim Abendessen. Als sie dann kommen, Platz nehmen, essen, reden und scherzen, denken wir beide an Dr. Tigges (Indien) - so ein bisschen elitär kann eine Gruppe schon sein!
Dann ist es mit der Erholung erst einmal vorbei! Die Fahrt entlang der Küste, erst mit Blick auf due golfi, dann nur noch auf ein Meer, die steil abfallenden Felswände und die sich ständig windende, enge Strasse, sagenhaft schön, aber – wir sind nicht allein, abgehalfterte und künftige Tour-de-France-Teilnehmer, dreispurig nebeneinander, versperren uns den Weg, ehemalige Ferrari-Testpiloten und Rallyemöchtegerne fahren uns hinten in den Kofferraum, suchen die unmittelbare Nähe zu unseren Kotflügeln, drängen uns an den Abgrund oder den Fels. Und dann die Motorräder! Hanne fährt hier nicht!
In Positano parken wir auf halber Höhe, laufen stundenlang nach unten, immer dem Verkehr von hinten (Einbahnstrasse!) ausweichend; kommen aber nie unten an und klettern im Diesel- und Zweitaktergestank wieder nach oben, diesmal kommt der Verkehr von vorn. Wir nehmen dennoch entspannt einen Café und … in Amalfi gehen wir, keine Kosten scheuend, luxuriös Fischessen, sitzen in der prallen Sonne auf der Terrasse direkt am Hafen, ein grossartiger Tag!

Und dann geht’s weiter, leicht beschwipst. Irgendwo hinter Salerno wird es schon einen schönen Ort zum Übernachten geben! Pustekuchen - ich fahre pausenlos, immer auf der Landstrasse, der Küste folgend, die Autobahn ist meilenweit entfernt. Gleich kommt der nette Ort! Um 18:30 geht die Sonne unter, die sich schlängelnde Küstenstrasse hört nicht auf, die Orte sind sicherlich wunderschön, die Landschaft atemberaubend, aber die Hotels sind geschlossen, hierher verirrt sich im März noch niemand, der übernachten will. Fünf Stunden nach dem Mittagessen (vorher waren es nur drei!) endlich die Erlösung. In Marina di Dingsbums am Hafen brennt noch Licht, und die haben Zimmer und kochen gerade für ihren Männerstammtisch, ist es Samstag – wieder einmal grossartig, man muss halt nur Sitzfleisch und eine Servolenkung für die Kurven haben!
Es wäre langweilig, jetzt noch mit der Beschreibung des nächsten Tages fortzufahren, da geht es bis Marina di Cremota gut – schöner Ort, von Christian und Ursula empfohlen, hier könnten wir auf dem Rückweg auch noch eine Woche Strandurlaub einlegen – und dann beginnt das ganze wieder von vorn. Fünf Stunden bis zur Autobahn, die grössere Strasse entlang der Küste ist für einige Kilometer gesperrt, die Umleitung führt über … - … mein Gott haben die Berge in Italien! Solche Strassen und Ortsdurchfahrten (fünf cm breiter als mein Auto und nur mit Glück kommt keiner entgegen) sind wir noch nie gefahren! Wir müssen eine Ausschilderung verpasst haben – nur mit Mühe finden wir auf den richtigen Weg zurück.
Im Nationalpark Cilento kann man hervorragend wandern, steht im Reiseführer, das hätten wir mal machen sollen.
ABER, es ist auch atemberaubend schön, nicht nur an der Küste. Wälder aus Olivenbäumen, Orte auf den Bergkuppen – grandios! Die Strassen haben arg gelitten unter dem harten Winter, nicht nur Schlaglöcher gibt es, sondern ganze Fahrbahnen brechen seitlich weg – wir fahren Slalom! Hier wird es in den kommenden Wochen noch einige Strassensperren geben.
Nein, es ist nicht fair, Italien mit Indien zu vergleichen. Was den Verkehr angeht, kann man jedoch diejenigen wagemutigen Touristen, die Indien im Auto bereisen wollen, nur empfehlen, in Italien schon einmal zu üben. Das Erlebnis, in Bruchteilen von Sekunden, mitten im fliessenden Verkehr, rechts und links von rasenden Vespas überholt zu werden, ist einmalig! Jeder, der in Rom, Neapel oder Palermo Auto gefahren ist, kennt das. Auf den vollen Autobahnen im Norden allerdings fliesst der Verkehr auf allen drei Spuren fast behäbig und diszipliniert. Alle gehen nach dem Überholvorgang zumindest auf die mittlere Spur zurück. Wenn nicht, hängt der nächste Raser von hinten an der Stossstange. Obwohl, so viele gibt es davon wieder auch nicht! Ich gewöhne mich schnell an die Fahrweise, was die können, kann ich auch!
In Kalabrien und auf Sizilien ist auf der Autobahn immer wieder eine Spur gesperrt. Die vorgeschriebenen 60 km/h einzuhalten wäre eine Sünde, bei 110 km/h überrollen uns von hinten die LKW!
Tunnelfahren ist besonders lustig. Anfangs erschrickt man sich noch, wenn man selbst bei 100 km/h noch rasant überholt wird. Auf Sizilien sind die Tunnel ein wenig enger als bei uns, und trotzdem darf man in denen teilweise 120 km/h fahren – da wird einem schwindlig!
Sizilien hat in diesen ersten Tagen ein zweites indisches Merkmal, den Müll. Wahrscheinlich ein Streik. Sie zeigen im Fernsehen die überquellenden Container, den Kommentar verstehen wir immer noch nicht! Hier und da löst man das Problem, indem nicht nur Gartenabfälle am Strassenrand verbrannt werden. Es stinkt und sieht beängstigend aus.
Wir haben noch ein ganz anderes – ein Luxusproblem – wir essen und trinken viel zu viel und zu gut!
Immerhin ist es da wo wir sind so touristisch, dass die Hotels alle Frühstück anbieten, dessen Qualität sich in den letzten Jahren stark verbessert hat. Wir erinnern uns noch an trockene, zersplitternde Brötchen jeden Morgen, und dazu gab es immer nur Albicoccamarmelade (lecker!) und diese etwas merkwürdig anmutende Butter, die immer so roch und schmeckte, als sei sie nicht mehr so ganz frisch! Die gibt es, wir sind beruhigt, immer noch, aber sonst eben auch Croissants mit allen erdenklichen Füllungen: con crema, cioccolata und natürlich auch albicocca – grossartig! … und Käse und Salami und Mortadella und Müesli und Obst und Joghurt und … endlos!
Selbst wenn wir, wie in Rom, jeden Tag mehr als zehn Kilometer herumlatschen, wir kehren eben doch auch mal ein! Noch ein cappucino, noch ein caffè, noch ein paar von diesen unglaublich guten Mandorladingern und dann später aperol soda, vino, birra und immer mit Chips, Pistazien, Nüssli, etc.!


Und abends? In den ristorantes sind sie beleidigt, wenn man nur pasta, oder nur ein secondo con contorni bestellt – also halten wir uns an die Gepflogenheiten, nehmen wenigstens noch antipasti und … na ja, Wein natürlich!
Wir hätten doch die weite, wallende Kleidung und die langen Gürtel mitnehmen sollen! So wird das ja nie was!
Kann es sein, dass die Sizilianer freundlicher sind als die Italiener? Bisher wurden wir auf den Zebrastreifen ignoriert, hier auch, aber an nur einem Tag hat man uns in Palermo auch schon viermal grosszügig über die Strasse gewinkt!
Wenn es heiss ist, kann die Bettdecke ruhig dünn sein! Wenn, wie jetzt, nachts noch Temperaturen um die zehn Grad herrschen, ist etwas Wärmendes schon schön. Die bekannten hellbraunen Wolldecken, vor denen wir uns ein wenig ekeln, werden allem Anschein nach selten ausgeschüttelt. Wenn wir allabendlich die Zudecke unter der Matratze hervorgerissen und das Bett nach unserem Gusto für die Nacht vorbereitet haben, sind sämtliche Möbel im Zimmer mit einer satten Staubschicht bedeckt.


Seit sechs Tagen sind wir in Scopello, achtzig Kilometer hinter Palermo – Brigitte sei Dank!
Hanne hat den Artikel in der Zeitschrift entdeckt und es ist wirklich ein kleines Paradies. Direkt am Meer, am Hang 800 m hoher Berge, hinterm Ort endet die Strasse am Eingang eines Naturschutzgebietes, wenn man in den nächsten Ort will kann man durch die Natur und dann noch 10 km weiter wandern oder um die Berge herum 50 km mit dem Auto fahren! Der Ort ist völlig unspektakulär, ein paar Bars, Restaurants und Boutiquen – noch nicht mal `ne Kirche haben die hier! Die Landschaft ist atemberaubend.
Nur leider verschwindet im März die Sonne noch um sechs hinter den Bergen und dann wird’s kalt! Wir haben beschlossen uns bis nach Ostern hier einzuigeln, um dem Chaos der settimana santa zu entgehen!
Wer zählt die Kirchen, nennt die Heiligen? In Evice, einem Ort, 1000 m mal 500 m, auf einem 750 m hohen Berg, direkt am Meer, sind es vierzehn Kirchen und ein Duomo, so ungefähr pro 50 Einwohner ein Gotteshaus! Die Heiligen haben wir nicht gezählt, wir hätten sonst mehrere Tage bleiben müssen.


In Trapani bummeln wir am Dienstag vor Karfreitag nichts ahnend durch die Altstadt, als plötzlich ohrenbetäubender Trommelwirbel zu hören ist. Die Menschen strömen aus allen Richtungen herbei, stellen sich in erhöhte Hauseingänge und warten. Der Lärm kommt näher, dann biegen erst einmal kleine, unschuldige, aber total schwarz herausgeputzte Kinder um die Ecke. Ein kleines Mädchen trägt ein grosses Kissen vor dem Bauch mit dem Konterfei eines langhaarigen Mannes mit einer merkwürdigen Krone auf dem Kopf. Es folgen Jugendliche, alle in edles Schwarz gekleidet. Dann wird die dahin schleichende Menge dichter, es folgt ein riesiges Madonnenbild von goldenem Messing umrahmt, an beiden Seiten je acht, ein Meter hohe, brennende Kerzen, offensichtlich schwer, denn zwanzig ächzende Männer und eine Frau tragen das Monstrum auf den Schultern. Ob gewollt oder gezwungen, das ganze Ding samt Trägern bewegt sich schwankend von einer Strassenseite zur anderen, vielleicht, damit alle Teile der säumenden Menge dem Heiligtum wenigstens einmal nahe sein können! Dahinter eine, nur aus Frauen bestehende Blaskapelle, die in schrillen Tönen eine trauermarschähnliche, unglaublich laute, Musik von sich gibt, beängstigend, unheimlich! Fremd sind auch die andächtigen Gesichter der Zuschauer – man nimmt das alles sehr ernst! Täglich finden in der Woche vor Ostern solche Umzüge statt. Alle Heiligen werden aus den Kirchen geholt und herumgetragen. Das findet seinem Höhepunkt am Karfreitag, wo dann alle gemeinsam unterwegs sind. Die Figuren des Leidensweges Christi in natürlicher Grösse bewegen sich durch die Gassen! Wir sehen uns die Fotos des letzten Jahres in einer Ausstellung an und sind merkwürdig beeindruckt!?!
Heute ist Karfreitag in Scopello. Am Palmsonntag gab es eine Prozession durch die winzige Gemeinde, die uns, ein paar Minuten lang, den Weg zu unserem Café versperrte – alle hatten Olivenbaumzweige in den Händen! Es gibt zwar keine Kirche hier, aber wir haben eine Freilichtbühne mit Altar und Plastikstühlen davor gesehen. Wir sind gespannt was heute hier noch abgeht!

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